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MARC CARNAL

In der Badewanne ist eigentlich nichts so richtig gut

Die erste Hälfte des Textes dreht sich allerdings um das kontroverse Thema Bidet. Außerdem: Wer sich den Text sparen will, kann zum neuen Service „Auf den Punkt gebracht“ runterscrollen.

Eine Kolumne von Marc Carnal

Während meine frühere Wohnung mit einer Badewanne ausgestattet war, hat die neue eine Duschkabine und daneben ein BD.
Ein was?!
Natürlich meine ich ein Bidet. Hiermit möchte ich gestehen, dass ich bis vor einer Minute ernsthaft gedacht habe, dass diese Vorrichtungen BD heißen. Wofür diese vermeintliche Abkürzung denn stehen soll, habe ich mich anscheinend nie gefragt. Am ehesten in Frage kommen würde “Beidl-Dusche”. Naja, das wollte ich gerade googeln und weiß jetzt, dass es Bidet heißt.

Dieses Bidet wird selbstverständlich konsequent zweckentfremdet und zum Einweichen edlen Zwirns oder als Zwischenlager für ätzende Putzschwämme verwendet. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass sich das kleine Sitzbecken im Badezimmer befindet, während das Klo eine Tür weiter ist. Nicht gerade im Sinne der Erfindung. Was genau hat man sich dabei gedacht? Dass man nach erfolgtem Stuhlgang zuerst mittels Discounter-Klopapier “das Gröbste” erledigt, dann kurz Unterhose und Hose raufzieht und so ins Bad rübergeht? Sicher eine Möglichkeit, fühlt sich aber irgendwie… wrong an. Oder sind unsere Miet-Ahnen einst mit runtergelassenen Hosen vom Klo ins Bad gehoppelt, um sich dort dann die Rosetten abzuschwemmen? Dachten die, das “macht man so”?

Der zweite Kritikpunkt am Bidet ist der lächerliche Wasserdruck. Wer jemals auf einer japanischen Highend-Toilette gehockt ist, wird mir zustimmen, dass die da wirklich alle Stückln spielen. Ich weiß nicht, wie ich das dezent ausdrücken soll, aber undezent würde ich sagen: Auf japanischen Klos werden einem die Winterkirschen nur so rausgekerchert. Bei dem Wasserstrahl wird die Intimhygiene schnell zum Hochdruck-Einlauf. Hält man sich nicht nach Leibeskräften fest, wird man von dieser geisteskranken Fontäne bis zur Decke geschleudert. Wenn in Tokio ein Hochhaus brennt, braucht die Feuerwehr nur die Bidet-Düsen in den Klos aktivieren und kann derweil in Ruhe einen Sake zwitschern.

So, ich glaube, damit sollte nicht nur zwischen den Zeilen, sondern auch in den Zeilen stehen, dass es verlockend wäre, japanische Bidet-Düsen in Autowaschanlagen einzusetzen, was aber wohl berstende Windschutzscheiben und verbeulte Karosserien zur Folge hätte.

Mein Bidet kann im Vergleich jedenfalls nix. Anfangs war ich etwas enttäuscht, dass die Breite des Badezimmers für Duschkabine und Bidet statt für eine Badewanne genutzt wurde. Mittlerweile vermisse ich die Wanne aber gar nicht mehr. Auch in der alten Wohnung habe ich höchstens dreimal jährlich ein Vollbad genommen, denn: In der Badewanne ist eigentlich nichts so richtig gut.

Zum Beispiel Lesen

Hört sich verführerisch an: Sich einem kalten Winterabend mit einem guten Buch in die Badewanne legen. Die Mühsal beginnt aber schon vor der Lektüre. Hat man im Liegen kein Tuch griffbereit, muss man die bereits nassen Hände minutenlang in die Luft halten, bis sie endlich trocken genug sind, um das Buch angreifen zu können. Man liest zwei drei Seiten und wird spätestens dann vom heißen Badewasser derart mürbe im Schädel, dass die Buchstaben auf den vom Wasserdampf gewellten Seiten verschwimmen. Was mir ebenfalls schon zweimal passiert ist: Das Buch fällt ins Wasser. Sehr unerfreulich!

Zu diesem Thema hab ich mit Wasserratte Grissemann übrigens mal folgendes Filmchen für Willkommen Österreich gemacht:

Oder Essen und Trinken!

Die Geschmäcker und Gerüche von Speis und Trank schlagen sich irgendwie mit den Düften von Bade-Essenzen und Zedernholz-Pflegeschaum. Klingt halt auch immer besser, als es ist. Klar ist der Gedanke verführerisch, umschmeichelt vom heißen Wasser genüsslich ein Grillhendl zu verschlingen. Ok, eigentlich ist der Gedanke nicht sonderlich verführerisch, doch so ein Bierchen, ein Sektchen oder ein Weinchen nimmt man sich schon gerne mit in die Wanne. So richtig geil ist es aber nicht, wenn der kalte Hefeweizen in den überhitzten Leib rinnt.

Zu diesem Punkt und als Überleitung zum nächsten muss ich eine kleine Schnurre erzählen: Einmal hat meine Freundin einen Wellness-Kurzurlaub geschenkt bekommen, von dem ich nutznießen durfte. Ein Teil des Programms in dem voralpinen, rustikalen Romantikhotel war eine Paar-Massage mit anschließendem Heumilchbad.
Mehr rustikal als romantisch war die zwanzigminütige Massage. Nach den etwas brutalen Anwendungen bat man uns in die riesige Badewanne neben den Massage-Liegen, die ernsthaft mit verdünnter Kuhmilch gefüllt war. Wir stiegen beklommen in die Wanne. Die Scherzfrage, ob es auch Hafer- oder Sojamilchbäder gebe, verkniffen wir uns. Dann montierte die Masseurin eine Ablage auf den Rändern, auf die sie einen großen Teller mit Pralinen stellte. Sie sah uns gütig, aber auch ein bisschen kokett an. Was erwartete sie von uns? Die Sekunden zogen sich dahin wie über einem Milchbad geschmolzene Pralinen. Die Romantik-Bedienstete deutete auf unsere Smartphones und fragte, ob sie ein Erinnerungsfoto anfertigen solle. Wir schauten exakt wie das Emoji mit den aufgerissenen Augen und verneinten. Dann verzupfte sich die Masseurin und kündigte an, in einer Dreiviertelstunde wieder zu erscheinen, dann sei das Milchbad zu Ende. Außer, sprach sie und ZWINKERTE DABEI ZWEIDEUTIG, außer wir würden “mehr Zeit brauchen”. Dann würde sie uns eh durch die dünne Türe HÖREN!
Oh mein gottverdammter Gott, dachte die Masseurin ernsthaft, wir würden zuerst die (zahlreichen!) Pralinen vertilgen und dann in der Milch vögeln?! Natürlich dachte sie das. Wahrscheinlich aus Erfahrung, denn wir waren ja nicht das erste Paar, dem das Heumilch-Treatment zuteil wurde.
Endlich ging sie nach draußen. Verlegen lachend aßen wir den Konfekt und fühlten uns sehr uneasy, während unsere Pralinen-gefüllten Körper in der kälter werdenden Milch langsam aufquollen. Als die Masseurin zurückkam, waren wir längst wieder angezogen und bedankten uns sehr für die romantische Stunde.
Dieses Erlebnis leitet über zu

Sex

Die Idee, es in Badewannen zu treiben, muss von zynischen Pornoproduzenten aus den 90ern stammen. Die haben mit Pornos noch so viel Geld verdient, dass sie sich riesige Rooftop-Whirlpools leisten konnten, in denen sie dann ihren Cast zu ficken nötigten. Das macht aber keinen Spaß! Ganz generell ist es nicht ideal, die Sexualität im Wasser auszuleben. Ob salziges Meer-, dreckiges See- chloriges Pool- oder seifiges Badewasser: Nichts davon schmeichelt den intimen Schleimhäuten. Erschwerend kommt hinzu, dass handelsübliche Badewannen für alle erdenklichen Verrenkungen viel zu eng bemessen sind. Am Ende bleibt - neben aufgescheuerten Hüften und gezerrten Bändern - immer ein schales Gefühl, das man umschreiben könnte mit: “Also das hätten wir uns jetzt aber auch sparen können”.
Aber was soll man denn nun machen in der Badewanne?

Einfach drinnenliegen?

Ja. Aber besonders entspannend ist das doch auch nicht. Könnte man sich nämlich so richtig entspannen, würde man über kurz oder lang einschlafen, was unweigerlich zum Ertrinken oder Erfrieren führt. In Wahrheit liegt man halt da, starrt auf die schimmligen Fugen und lässt alle paar Minuten heißes Wasser nach. Zwischendurch betrachtet man seinen Körper, außer natürlich man badet in Heumilch. Schmeichelhaft ist das nicht! Willen- und formlos treibt der Body in der warmen Brühe und führt unweigerlich zu Selbstekel und utopischen Vorsätzen. Da denkt man schonmal an

Selbstmord

Wer kennt das nicht? Man liegt in der Badewanne und sieht ein, dass sowieso alles keinen Sinn hat. Also greift man zum Fön und wirft ihn mit einem gehauchten “Goodbye” in den Schaum. Doch Obacht! Es ist längst nicht alles sinnlos hier auf Erden! Bitte nicht Selbstmord begehen! Es gibt so viele schöne Dinge, die das Leben lohnen, zum Beispiel Essen, Sex, Bücher oder Duschen.

Für alle, denen sogar heute-Artikel zu lang sind, gibt es auf heute.at seit einiger Zeit am Ende der Meldungen die Überschrift “Auf den Punkt gebracht”, unter der die ohnehin sehr kurzen Texte noch einmal in zwei, drei Sätzen zusammengefasst werden. Das will ich mir zum Vorbild nehmen:

Auf den Punkt gebracht

  • Es heißt Bidet und nicht BD.
  • Ich vermisste die Wanne nicht, denn: In der Badewanne ist eigentlich nichts so richtig gut.

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