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Evan Tepest

Evan Tepest

BUCH

Schrei(b)t die Namen eurer Mütter!

Ein Buch des Jahres: Der deutsche Autor Evan Tepest erzählt in seinem neuen Roman die Geschichte eines Mutter/Kind-Gefüges. Mit viel Humor und popkulturellen Referenzen.

Von Christian Pausch

Zeit unseres Lebens arbeiten wir uns an unseren Eltern ab. Das weiß auch Evan Tepest. Den jungen, deutschen Schriftsteller kennt man vielleicht schon von seiner Essay-Sammlung „Power Bottom“ oder aus dem neuen Literatur-Magazin Delfi, wo seine Geschichte „The mountains so vast“ veröffentlicht wurde.

Es geht um Sprache, Sex und (queere) Community in Evan Tepests Texten und nun kommt im Roman „Schreib den Namen deiner Mutter“ auch noch der große Brocken „Familie“ hinzu, nämlich nicht nur die selbst gewählte Familie, sondern auch die Familie, in die man hineingeboren wurde. Das geht sich alles wunderbar aus in diesem Roman, der vor allem durch Humor und auch die ein oder andere popkulturelle Referenz besticht.

Als Alex die Mutter traf, war ihr übel.

Das ist der erste Satz in „Schreib den Namen deiner Mutter“ und er hätte eindeutig den Award für Best First Sentence verdient. Alex, eine queere, progressive Berliner Schriftstellerin, wird beim Heimatbesuch an der deutsch-niederländischen Grenze wieder in alte Mutter-Kind-Muster zurückgedrängt, nicht nur metaphorisch sondern auch räumlich, wenn sie wieder ihr altes Kinderzimmer beziehen muss. Als sie dann auch noch eine sexuelle Beziehung mit ihrem ehemaligen Fling aufflammen lässt, ist es fast so, als wäre sie nie weggezogen.

In diesen an Konflikt-Potential nicht gerade armen Tagen kommt dann auch noch der Auftrag von Alex’ Literaturagentin, einen Text über ihre Mutter zu schreiben. „Worüber meine Mutter und ich nicht sprechen“, soll das Thema sein. Wie praktisch, dass Alex gerade bei der Mutter zu Besuch ist und die beiden tatsächlich über fast nichts miteinander sprechen.

Buchcover

Piper Verlag

Auch ein kleiner Hund spielt im Roman eine Rolle. „Schreib den Namen deiner Mutter“ von Evan Tepest ist im Piper Verlag erschienen.

Ein lustig-absurdes Kammerspiel

Evan Tepest schafft es, aus einem womöglich explosiven Familien-Zusammentreffen ein lustig-absurdes Kammerspiel zu entwickeln, das uns als Leser:innen sofort in den Bann zieht. Einerseits klappt das über Popkultur: Tepest zitiert Tupac, erzählt vom kultigen Online-Quiz „Lesbian or German Lady?“, erwähnt Ocean Vuongs „Time is a mother“ und der Titel des Romans ist ganz klar eine Paraphrasierung dieses Tomte-Songs.

Andererseits ist es aber vor allem Humor, durch den der Roman, trotz des vor allem für queere Menschen oft schweren Themas „Familie“, eine wunderbare Leichtigkeit erhält. Witzig sind zum Beispiel die Momente, in denen die Protagonistin Alex ihrer Mutter immer wieder Queer-Sein attestiert:

„All ihre Klamotten waren eine Nummer zu groß und outdoor-tauglich, die Frisur asymmetrisch und so exakt, als wäre sie mit dem Rasiermesser geschnitten. Sie hatte etwas sehr Lesbisches an sich.“

Evan Tepest scheut dabei aber keineswegs vor den seriösen und auch oft traumatischen Aspekten einer Mutter-Kind-Beziehung zurück. Ganz im Gegenteil arbeitet seine Hauptfigur im Laufe des Romans so viel auf und um, dass Alex gegen Ende des Heimaturlaubs sogar ihre eigene Identität und Queerness ganz neu definiert.

„Talking to my Mum is like talking to an ex of mine.“

Der Name der Mutter wird übrigens tatsächlich erst auf Seite 79 genannt und somit fast bei der Hälfte des kurzweiligen Romans. Die kurios-liebenswerten Nebenfiguren tun ihr übriges, um der Geschichte Aufwind zu geben und so ist Evan Tepest hier wirklich ein formidabler Roman gelungen. Schön, wenn man über das sonst viel zu oft tragisch geframete Queersein auch mal lachen darf.

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