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Speckige Lederjacken, Kleinstadt-Mief, Psychoterror

Und dann kommt der Herbst mit seinen Farben: neue TV-Serien im Überblick.

Von Philipp L’heritier

Nach den Emmy Awards ist vor der Flut an neuen Fernsehserien. Wie immer: Man kann nicht alles sehen. Es folgt: eine Rundschau über Serien, die kürzlich gestartet sind, und solche, die demnächst kommen werden. Ebenfalls wie immer: kein Anspruch auf Vollständigkeit.

The Orville (bereits gestartet)

Der vielseitige und schwer wechselhafte Komiker Seth MacFarlane hat eine Show erfunden, die ohne neue Ideen auskommt - und trotzdem Spaß bringt. In “The Orville” widmet er sich in der Hauptrolle und als Produzent einem Herzensthema: “Star Trek”.

In dieser Sci-Fi-Comedy gibt MacFarlane einen einst hochtalentierten und vielversprechenden Raumschiff-Kapitän, den Eheprobleme und Scheidung aus der Bahn geworfen und dem Alkohol deftig in die Arme gespielt haben. Als Kommandant der Orville - nicht gerade das prestigeträchtigste Schiff - bekommt er eine letzte Chance: Gemeinsam mit einer Crew aus diversen Typen und Nichtsnutzen, hochtalentierten Wissenschaftlern, Aliens und rassistischen Robotern muss er die Weiten des Universums erkunden - oder bloß öde Transportjobs erledigen.

Bei allem C-Movie-Charme, Fäkal-Humor und Penis-Witz versucht sich “The Orville” doch als liebevolle Hommage an die große Übermutter der Space-Odysseen und stellt die tatsächlichen Abenteuer oft vor den Gags ins Rampenlicht. Energie, in Billig.

The Deuce (bereits gestartet)

Der Talk der Saison kommt wieder einmal von HBO, pompös ausgestattet, um den Verfall und die Kaputtheit adäquat in Szene zu setzen. Das erprobte Team George P. Pelecanos und David Simon (beide: “Treme", “The Wire”) entwirft wieder einmal das große, das finstere Großstadt-Panorama: “The Deuce” ist der Spitzname für die New Yorker 42nd Street, die Show zoomt hinein in die frühen 70er-Jahre.

Es tummeln sich hier im Flackern der Neon-Lichter, auf öligen Gehsteigen: Prostitutierte, Dealer, Pimps, fertige Cops, Barkeeper. Maggie Gyllenhaal, James Franco in einer Doppelrolle, Chris Bauer. Drogen, Absturz, heißes Gift im Schmelztiegel. Porno-Schnauzbärte, speckige Lederjacken, Frisuren. Demnächst mehr zu “The Deuce”.

Tin Star (bereits gestartet)

Ein aus dem Zufallsgenerator gespuckter Mischwald. Eine bunte Wühlkiste, befüllt mit allseits beliebten Motiven, Szenarien und Plot-Devices. Der wie gewohnt gut zerstrubbelte und nach Dauerkater riechende Tim Roth sucht hier in der Rolle eines der Trunksucht immerhin kurzfristig entkommenen Londoner Cops im kanadischen Hinterland mit seiner Familie die Idylle.

In so einem kanadischen Kleinstdorf inmitten von mächtigen Wäldern hat man, wenn es gut geht, als Polizist nicht viel zu tun. Man kann vielleicht den ganzen Tag angeln gehen, ab und zu muss man einen unguten Bären aus dem Verkehr ziehen.

Man ahnt es: Im Dörfchen ist alles gar nicht so putzig. Christina Hendricks spinnt als Gesandte eines finsteren Öl-Konzerns eiskalt die Intrigen und hat die Gegend im Griff. Kleinstadt-Quirkiness, Stadtmensch entdeckt die Provinz, Hillbillys, schräge Kleinganoven, schiefer Humor und nackte Gewalt. “Fargo”, “Justified”, “Ozark”, “Northern Exposure”, “Twin Peaks”. Ein einziger Reste-Cocktail, mit soliden Zutaten, mit starkem Ensemble.

Ghosted (Start: 1. Oktober)

Es geht auch flauschig. Wenn sich nämlich die Serie “Ghosted” dem Segment “Mystery” von der Comedy-Seite nähert. Intensiv. Adam Scott (“Parks and Recreation”) und Craig Robinson - den kennt man vor allem aus der Gang von Seth Rogen und Judd Apatow - sind als solide schusseliges, klarerweise ungleiches Geisterjäger-Duo auf der Pirsch.

Sie spüren außerweltlichen Erscheinungen, gewichtigen Polit-Verschwörungen und Alien-Sichtungen nach. Und stellen sich dabei nicht gar so geschickt an.

Ostentativ überdrehte Buddy-Comedy nach Reißbrett, dabei mit kaum fehlbarem Team. Die “X-Files” im hochalbernen Modus von “Police Academy” und “The Naked Gun”. Die Wahrheit wird vermutlich nicht da draußen zu finden sein.

Mindhunter (Start: 13. Oktober)

Der souveräne Publikums-Magnet, angeschaut aus neuem Blickwinkel, ins Bild gerückt im etablierten, slicken Netflix-Design, das zwischen Blassblau und Blassbraun, zwischen David Fincher und Christopher Nolan den Hochglanz der menschlichen Abgründe und des Moders findet.

Die Serie “Mindhunter” befasst sich mit dem Thema, das nicht aus der Mode kommt: Serienkiller. “Mindhunter” ist in den späten 70ern angesiedelt, als die Idee “Serienkiller” noch nicht flächendeckend im allgemeinen Bewusstsein verankert und in hundert Büchern und Filmen verwurstet war.

Wir folgen hier einem Team des FBI, das erst einmal realisieren muss, dass es so etwas überhaupt geben kann. Menschen tun solch abscheuliche Dinge? Es wird geforscht, verhört und psychologisch gebohrt.

“Das Schweigen der Lämmer” trifft “True Detective”, dazu summt unheilvoll der Soundtrack. Wohliger Schauer und Psychokitzel, dürfte einschlagen. Mit dabei: die seit dem Sci-Fi-Evergreen “Fringe” ein wenig im Unterholz verschwundene Anna Torv.

Alias Grace (Start: 3. November)

Nach dem Erfolg von “The Handmaid’s Tale” geht der gerechte Hype um die hochpopuläre kanadische Schriftstellerin Margaret Atwood auch auf dem Seriensektor weiter. Die demnächst startende Netflix-Miniserie “Alias Grace” basiert auf dem gleichnamigen Roman von Atwood aus dem Jahr 1996, die Show führt uns diesmal nicht in eine nahe dystopische Zukunft, sondern ins British Canada des mittleren 19. Jahrhunderts.

Sarah Gadon (“11.22.63”, “A Dangerous Method”) ist in der Hauptrolle als Dienstmädchen zu sehen, das beschuldigt wird, ihren Hausherren (und freilich: Geliebten) umgebracht zu haben. Puritanische Strenge, Hexensymbolismus und Gothic-Chic. Gesellschaftliche Umbrüche, die Unterwerfung der Frau durch von Männern dominierte Systeme und Programme. Matte Farben und Beklemmung: Ein mulmig machender Hit zeichnet sich ab.

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