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Drake

The Come Up Show (CC BY-ND 2.0)

Drake lässt am neuen Album seinen Komplexen freien Lauf

Sie wollen einem Multimillionär dabei zuhören, wie er sich über mangelnde Zuneigung und Anerkennung beschwert? Willkommen bei „For All The Dogs“!

Von Stefan „Trishes“ Trischler

FM4 Podcast HipHop Lesekreis (Hiphoplesekreispodcast)

Radio FM4

Die Kollegen Rahimi und Weinreich sehen im FM4 HipHop Lesekreis „For All The Dogs“ etwas weniger kritisch als ich. Es geht in unserem Gespräch auch um Drakes Verbundenheit mit der texanischen Metropole Houston und seine emotionale Reife (or lack thereof).

Drake hat den Klang des Rap verändert. Weiche Synthesizer-Flächen, Sample-Fragmente und eine Stimme, die mühelos zwischen Melodie und Rhythmik wechselt. So klangen seine frühen Hits - und viele Kollegen haben die Formel gerne übernommen. Denn Drake war damit so richtig erfolgreich, hat Streamingrekorde gebrochen und dementsprechend viele Platinplaketten und einige Grammys in seiner Villa mit dem Pool in der Größe eines kleinen Sees. Er könnte also eigentlich ziemlich zufrieden sein. Aber genau das Gegenteil ist der Fall.

Aubrey Graham fühlt sich missverstanden, boykottiert und zu wenig wertgeschätzt. Teilweise stammen diese Gefühle wohl noch vom Anfang seiner Laufbahn, als traditionellere Rap-Fans seinen melodischen Flow ablehnten und den ehemaligen Teenie-Schauspieler auslachten. Dass auch seine housige Platte Honestly, Nevermind in diesen Kreisen nicht gut angekommen ist, sollte eigentlich niemanden überrascht haben. Trotzdem hat das Feedback Drake dazu inspiriert, jetzt seine Version einer harten Rap-Platte abzuliefern.

Cosplay für die Jungs

Schon der Titel For All The Dogs klingt dabei so klischeehaft, dass man sich an einen peinlichen Auftritt des konservativen US-Senators Mitt Romney erinnert fühlt. In der Vergangenheit hat Drake seine familiäre Verbindung nach Memphis (er hat als Kind dort die Sommer mit seinem Vater verbracht) für mehr street credibility verwendet; auf dieser Platte rappt er von häufigen Reisen nach Houston, Texas und verwendet einen Mixtape-Freestyle des dortigen legendären Rap-Entschleunigers DJ Screw als Interlude. Aber auch wenn Drake im retrospektiven Song Away From Home meint, er wäre bis jetzt nie ein Gangster gewesen, wirkt die Kriminellen-Pose wie Cosplay.

For All The Dogs Cover

Drake

For All The Dogs impliziert aber auch, dass die Platte für die Jungs gedacht und gemacht ist. Und so gerne Drake von seinen unzähligen Eroberungen spricht und die auf die Bühne geworfenen BHs seiner Fans sammelt, so wenige gute Erfahrungen hat er anscheinend mit echten Frauen gemacht. Die Verbitterung über die mangelnde Liebe, die die Damenwelt ihm entgegenbringt, zieht sich ja schon länger durch Drakes Werk. Auf dem neuen Album vollzieht der Rapper/Crooner die Transformation von der fragilen zur komplett toxischen Männlichkeit aber endgültig. Und nach den verbalen Shots gegen Megan Thee Stallion geht Drake diesmal Rihanna (und ihren Freund A$AP Rocky) an, mit der ihn eine lange und komplizierte „Beziehung“ verbindet. Auch wenn das womöglich sein Zugang zu viralem Marketing und Promotion ist (garantierte Schlagzeilen in den Klatschspalten der Welt!), spricht die beiläufige Misogynie Bände und überschattet eine Platte, die rein technisch gesehen natürlich gut gemacht ist.

Vorbild für den Nachwuchs

Dass Drake ausgerechnet in dieser Phase seinen Sohn Adonis im Video herzeigt, dessen Zeichnung als Artwork verwendet und auch dessen Rapper-Debüt festgehalten hat, wiegt also besonders schwer. Man wünscht dem kleinen Mann viele gesunde weibliche Vorbilder, um diese Schieflage auszugleichen.

Drake selbst hat ja wiederum angekündigt, jetzt erst einmal eine Auszeit von der Musik zu nehmen, um sich um die Magenschmerzen zu kümmern, die ihn seit vielen Jahren plagen. Weil solche Probleme ihren Anfang oft im Kopf haben, sei ihm viel Ruhe sowie Gesprächstherapie empfohlen. Und Abstand vom Rap-Geschäft, das ihm offensichtlich nicht so gut tut.

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