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Filmflimmern

Neu im Kino: „The Square“, „Justice League“, „The Big Sick“, “Tiere”, “Happy Death Day”, “The Recall”, “Guardians Of The Earth”. Außerdem: Quentin Tarantinos neuer Film nimmt konkrete Züge an.

Von Christian Fuchs

The Square

Kritik an der Gegenwartskunst ist meist eine heikle Sache. Zu schnell kommt man dabei ins Fahrwasser reaktionärer Stimmen, die anstößige oder oft einfach nur unverständliche Kunstwerke gerne gleich verbannen würden. Der schwedische Regisseur Ruben Östlund hat aber einen Zugang gefunden, um sich dem dekadenten Vernissagen-Zirkus sarkastisch zu nähern. Sein Cannes-Gewinnerfilm „The Square“ folgt der Figur eines eitlen Museumskurators (Claes Bang) in Stockholm, dessen Leben durch diverse Vorfälle ins Wanken gerät. Dabei ist die Existenzkrise des Protagonisten aber nur der Aufhänger für diverse verstörende Milieustudien.

Östlund, der sich mit seinem Vorgängerfilm „Turist“ (Höhere Gewalt, 2014) als grandioser Aufdecker bürgerlicher Fassaden erwiesen hat, blickt erneut dort hin, wo es zwischenmenschlich weh tut. Die supere Elisabeth Moss („The Handmaids Tale“, „Top of the Lake“) ist auch dabei. Petra Erdmann verleiht “The Square” 8 von 10 Sponsorendinners, die aus dem Ruder laufen. Jan Hestmanns ausführliche Kritik kann man hier lesen.

Filmstills The Square

Alamode Film

Justice League

Hach, für Freunde stockdunkler Comicverfilmungen hatte es 2013 so gut angefangen. Zack Snyder, ein prinzipiell durchaus zwiespältiger Regisseur, belebte damals mit „Man of Steel“ die altmodische Figur Superman mit heiligem Ernst. Drei Jahre später folgte ein Epos, das die Zuseher spaltete. Für die Fans des selbstironischen Kinos der Marvel-Konkurrenz fast schon ein Affront, liebte ein kleiner Teil des Publikums „Batman v Superman“ genau wegen seinem sinistren, überzogenen Pathos. Das Zusammentreffen der „Justice League“ hat der Regie-Hooligan Snyder jetzt aber so in den Sand gesetzt, dass man den Film am liebsten gleich verdrängen würde.

Nicht nur den bisher nervtötendsten Bösewicht der jüngeren Comickino-Geschichte, einen kosmischen Wikinger namens Steppenwolf, muss man ertragen. Völlig unentschlossen zwischen der Trademark-Düsternis der DC-Vorgängerstreifen und einer von Marvel entliehenen Flappsigkeit pendelnd, geraten die Auftritte von Batman, The Flash, Aquaman oder Cyborg leider unaufregend. Und das im Jahr des kleinen Geniestreichs „Wonder Woman“, deren Auftritte das lieb- und leblose CGI-Inferno auch nicht retten können. Christoph Sepin ist in seiner Kritik etwas gnädiger und verleiht dem Superheldenspektakel 6 von 10 intergalaktische Weltraummonster.

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The Big Sick

Es gibt Rom-Coms, die vor Kitsch triefen und es gibt welche, bei denen der Produzent Judd Apatow seine Finger im Spiel hat. Der freundliche Pointen-Anarchist hat Talenten wie Seth Rogen, Amy Schumer oder Lena Dunham bei ihren Karrieren geholfen. Mit „The Big Sick" verschafft Apatow nun dem Stand-Up-Comedian Kumail Nanjiani einen Platz im Rampenlicht. Der in Pakistan geborene US-Schauspieler, bislang nur durch die TV-Serie „Silicon Valley“ bekannt, spielt in dieser verqueren Liebesgeschichte sein jüngeres Ich.

Als Teilzeit-Komödiant, der hauptberuflich Taxi fährt, hat es Kumail in dem Film nicht leicht. Während er auf der Straße in Chicago oft rassistischen Ressentiments ausgesetzt ist, macht ihm seine strikt muslimische Familie anderen Stress. Der nerdige Sohn soll den Gesetzen der Religion folgen und sich einer geplanten Zwangsheirat fügen. Für Kumail, der sich als ganz normaler Amerikaner sieht, eine Horrorvorstellung, die er in mäßig erfolgreichen Stand-Up-Shows exorziert. Spätestens als er sich in die Psychologiestudentin Emily (Zoe Kazan) verliebt, wird sein Leben aber richtig kompliziert. Denn Kumail verheimlicht seiner Angebeteten den Druck zur Zwangsehe, den Eltern verschweigt er die verbotene Affaire. All diese Verwicklungen würden schon für eine konventionelle RomCom mit multikulturellem Touch reichen. Aber Emily wird schwerkrank und in ein künstliches Koma versetzt. Im Spital lernt ihr geheimer Freund ihre Eltern kennen und „The Big Sick“ nimmt neue Wendungen.

Mit einem feinen Gespür für kleine und oft peinliche Momente bringt Regisseur Michael Showalter die wahre Story von Kumail Nanjiani und seiner späteren Ehefrau Emily Gordon auf die Leinwand. Dass „The Big Sick“ ein paar Durchhänger hat und visuell wie ein braver Fernsehfilm aussieht, soll nicht verschwiegen werden. Aber die kauzigen, charmant gespielten Figuren mit ihren diversen Macken machen diese höchst menschelnde Komödie sehenswert. Meine Wenigkeit verleiht 6 von 10 Zwangsheiraten.

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Tiere

„Eine Liebeskomödie wie von Yorgos Lanthimos oder David Lynch“, so schwärmerisch beschreibt die US-Branchenbibel „Variety“ den neuen Film des gebürtigen Polen Greg Zglinski. Nach einem Drehbuch des vor zehn Jahren verstorbenen Drehbuchautors und Filmemachers Jörg Kalt („Crash Test Dummies“) folgt „Tiere“ einem krisengeschüttelnden Ehepaar auf eine Auszeit in die Schweizer Berge. Aber schon in Lars von Triers „Antichrist“ und anderen Psychothrillern funktionierte das erneute Zueinanderfinden in der Natur nicht. Auch Greg Zglinski lässt seine beiden Schauspielstars Birgit Minichmayr und Philipp Hochmair in ein verstörendes, zunehmend surreales Szenario abdriften, dabei, geht es aber, meint FM4-Kollegin Anna Katharina Laggner, weder richtig gruselig noch wirklich komisch zu. Dem in seiner Abstraktion zweifellos gewagten und faszinierend gespielten Film verleiht sie 5 von 10 verschlossene Milchglastüren.

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Happy Death Day

Wenn schon so unterschiedliche Horrorfilme wie „It“, „Get Out“ oder „Split“ heuer den Box-Office rockten, kann man gleich auch das Slashergenre reanimieren, dachten sich wohl Hollywood-Produzenten bei diesem Film. Anstatt aber einen neuen, bedrohlichen Zugang zur Welt der maskierten Killer zu finden, setzt Regisseur Christopher Landon auf Selbstironie. Das kennt man schon von der „Scream“-Saga, deren bisweilen aufdringliche Cleverness „Happy Death Day“ mit einer legendären 90er-Komödie kreuzt. Von „Groundhog Day“ ist die Rede, dem modernen Klassiker, in dem Bill Murray den ödesten Tag seines Leben immer wieder durchlebt.

Der Collegestudentin Theresa (Jessica Rothe) ergeht es aber noch schlimmer. Denn am Ende ihrer Deja-Vu-Tage steht stets ihre grausame Ermordung durch einen mysteriösen Täter. Erst wenn sie dessen Identität aufdeckt, dämmert der jungen Frau, kann sie sich aus dem höllischen Loop befreien. Gedreht für ein ausgesprochen junges Publikum, frei von Blut oder wirksamen Schocks, tümpelt „Happy Death Day“ halbwegs unterhaltsam dahin. Beim berechenbaren und übertrieben moralischen Finale fragt man sich dann aber ernsthaft, warum Horrorguru Jason Blum diesen Film produzierte. Wir verleihen 3 von 10 bösen Erwachsituationen.

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The Recall

Wer die Filmografie des Italieners Mauro Borelli auf der IMDB anklickt, findet dort Titel wie „Star Wars: The Last Jedi“, „The Hateful Eight“ oder „Captain America: The First Avenger“. Dabei hat der frühere Kunstrestaurator nur als Illustrator bei diesen Filmen mitgearbeitet. Als Regisseur scheint Borelli auf ultrabillige Sci-Fi- und Horror-Streifen spezialisiert, die er direkt für den Heimvideomarkt dreht. Dass es „The Recall“, sein neuestes Werk, tatsächlich in heimische Kinos schafft, verdankt sich einer der Darstellerinnen. Die in LA lebende Laura Bilgeri, Tochter eines Vorarlberger Ex-Austropop-Stars, gehört im Film zu einer Gruppe von Highschoolkids, deren Ausflug in die Wälder dummerweise mit einer außerirdischen Invasion korrespondiert.

Gänzlich unterirdisch wirken dagegen Story und Effekte in „The Recall“, der sogar eine einstige afroamerikanische Ikone des 90er-Jahre-Actionkinos aufzubieten hat. Wesley Snipes, nach drei Gefängnisjahren wegen Steuerhinterziehung wieder auf Rollensuche, kann einem aber echt leid tun zwischen Gummialiens und Nachwuchsdarstellern. Weil die Zeit, als glorioser B-Movie-Trash einen Abend verzaubern konnte, auch schon wieder lange vorbei ist, verleihen wir diesem langweiligen Mix aus „Evil Dead“, „Independence Day“ und „The Matrix“ nur 2 von 10 schleimigen Kreaturen.

Wesley Snipes

Einhorn

Guardians of the Earth

Dem wahren Horror, der drohenden globalen Klimakatastrophe, widmet sich dagegen der österreichische Dokumentarfilmer Filip Antoni Malinowski in seinem neuen Werk. In „Guardians of the Earth“ taucht er in das Gewimmel der Weltklimakonferenz 2015 in Paris ein. Damals einigten sich zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinten Nationen fast 190 Staaten darauf, gemeinsam gegen den Klimawandel vorzugehen. Man kennt die aktuelle Position der Vereinigten Staaten zu diesem Thema, weiß von Youtube-Kanälen, auf denen Verschwörungsprediger ihr postfaktisches Geschwafel verbreiten, kann sich den schrecklichen Szenarien der Wissenschaft nicht entziehen. Malinowksis Film begleitet die oft verzeifelten Chefverhandler, vor allem auch bedrohter Staaten wie Bangladesch durch das Chaos der Veranstaltung. Anna Katharina Laggner war davon gefesselt, hat ein Interview mit dem Regisseur gemacht - und verleiht „Guardians Of The Earth“ 7 von 10 informelle Konferenzen.

Filmstill aus "Guardians of the earth"

filmdelights

Außerdem:

„The House That Quentin Built“, wie Harvey Weinstein seine Company nannte, ist jetzt wohl endgültig Geschichte. Quentin Tarantino hat einen anderen Produzenten für seinen nächsten Film gefunden. Erstmals in seiner Karriere arbeitet der Regisseur nicht mehr mit der Weinstein Company zusammen, aus Gründen, die man dieser Tage wohl nicht mehr näher erläutern muss. Harry Potter Produzent David Heyman wird das noch unbetitelte Filmprojekt betreuen, das im LA des Jahres 1969 angesiedelt ist, als die Morde der Manson-Family die Stadt in Panik versetzten.

Noch immer wünscht sich Tarantino Margot Robbie für den Part der ermordeten Schauspielerin Sharon Tate, zu den männlichen Rollenkandidaten gesellte sich neben Leonardo DiCaprio und Brad Pitt jetzt auch Tom Cruise. Mit dem Kinostart darf man aber wohl erst 2019 rechnen.

Unfassbare 250 Millionen Dollar haben die Amazon Studios für die weltweiten TV Rechte am „Herr der Ringe“ Universum bezahlt. Weil die Produktionskosten für die geplante Serie, die vor den Kinofilmen spielt, dann eventuell noch mal den selben Betrag kostet, sprechen Industrie-Insider jetzt schon von einem wahnsinnigen Deal. Fans der Tolkien-Saga müssen sich noch ziemlich gedulden, werden dann, inklusive Spin-Offs, aber wahrscheinlich etliche Jahre lang mit Hobbits, Elfen und anderen lustigen Wuckeln beschenkt.

Termine:

3.-26.11: „Come And Shoot In Austria“, Metro Kinokulturhaus, Wien
15.-19.11: Frontale, Stadttheater, Wiener Neustadt
18.11: Film puts the X in PolitiX: Denken mit X-Men, Tagung zu Film, Politik und Theorie, depot, Wien
18.11: Bambi, Filmcasino, Wien
19.11: Lolita, Leokino, Innsbruck
19.11: Österreichische Kurzfilmschau 2018 - Akademie Screening, mumok kino, Wien

Aktuell: