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Martin Blumenau

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Vom Wettstreit der Systeme und 0,0 Prozent Marktanteil

Die medial runderneuerte Fußball-Bundesliga hat Sichtbarkeits-Probleme und plustert sich entsprechend auf. Wäre nicht nötig, denn sie sieht interessant aus.

Von Martin Blumenau

4.000 sind viel.
4.000 Zuschauer im Stadion, das hätte den Vereinen der 2. Liga schon gefallen - die kamen im Schnitt auf etwas mehr als 1000 Besucher der acht Spiele von Runde 1, das ist drittklassiges Niveau. Liga 2 wird, ökonomisch gesehen, ein Hauen und Stechen; Sky-Experte Alfred Tatar sieht, kassandrisch, dort schon das Blut fließen.

Teil 1 der Reihe zum österreichischen Liga-Start behandelte Medien, Message Control und migrierte User.
Teil 2 bringt das moralische Sittenbild Ellbogenchecks am Kleingarten-Stammtisch.


The daily blumenau bietet seit 2013 ebenso wie sein Vorgänger, das Journal, regelmäßig Einträge zu diesen Themenfeldern.

4.000 ist aber auch ein Schas im Wald.
Für einen Mobilfunkanbieter, den Marktführer (mit 300.000 TV-Kunden) noch dazu, der mit Billboards und Mordstrum-Medien-Tamtam die Übertragung des Eröffnungsspiels der neuen Bundesliga beworben hat etwa.

Das sind 0,0 Prozent Markanteil für Halbzeit 1 und auch nur 0,1 für Halbzeit 2. Der Rapid-Präsident hat es schon vorher gewusst: „A1 ist kein Free-TV. Zumindest bei den vier Live-Spielen braucht’s eine große Plattform“, sagt er.

Der Standard rechnete am Montag auch die Zahlen von Sky Austria hoch, wo alle Bundesliga-Spiele live zu sehen sind, und kam auf eine Spitze von 32.000 (Marktanteil: 1,7 %), das ist nur ein Bruchteil der etwa 400.000 Sky-Abonnenten.

Das 2. Liga-Live-Spiel auf ORF Sport plus sahen 48.000 Menschen, auch nur 2,8 Prozent Marktanteil - aber mehr als die gesamte Sky/A1-Bundesliga-Live-Sachen zusammen.

Die beiden etwas über halbstündigen Highlight-Shows, die Samstag/Sonntag gegen 19:15 auf ORF 1 liefen, erreichten 139.000 bzw. 192.000 Menschen, das sind 9,7 bzw. 11 Prozent Marktanteil - kamma immer im Teletext nachlesen.

Außerdem noch im Nachverwertungs-Modus: der neue Sky-Montag-Nachmittag/Abend mit drei neuen Nachberichterstattungs-Shows - ohne Bezahlschranke, die Highlight Show Anpfiff auf oe24 (Sonntag, 22:00) samt Frenk Schinkels auf der Suche nach der nächsten verkrampften Wuchtl, und die Highlight-Show Fußball Total auf laola1.at, die sich deutlich weniger stark als angekündigt um Liga 2 kümmert: schätzungsweise werden sie doch mehr als 4.000 Klicks generiert haben.

4.000 und 32.000 und 48.000...

Eine letzte Zahl noch: das neue und ausverkaufte Austria-Stadion, der gute Besuch in Graz und Salzburg (alles jenseits der 10.000, die Liga-Vorstand Ebenbauer als Ziel vorgegeben hat) konnte die jammervollen Kulissen in St. Pölten, Altach und der Südstadt ausgleichen und einen Zuschauer-Schnitt von fast 8.000 erreichen; also doppelt so viel wie 4.000. In den Bundesliga-Stadien waren also insgesamt etwa 48.000 Menschen, deutlich mehr als via Sky dabei waren und zufällig genauso viele wie Steyr vs. Ried im ORF-Sportkanal gesehen hatten.

Es existiert also ein krasses Missverhältnis: eine Liga, die mehr Besucher im Stadion als Live-TV-Zuschauer hat, so etwas gibt’s europaweit nicht. Medien sind per se Vervielfältiger. Alles, was die Zahlen nicht vervielfacht, widerspricht dem Sinn der Übertragung. Nun war das beim österreichischen Fußball auch bisher nicht optimal: die ORF-Livespiele am Sonntag lagen im Schnitt unter der 300.000er-Marke. Zahlen, die mit der neuen Vertrags/Übertragungs-Konstellation utopisch sind.

Resterampen und Stammtische

Weil aber nicht nur dem Rapid-Präsidenten, sondern auch den Verantwortlichen die Schwierigkeiten schon im Vorfeld klar waren, wurden die Host-Broadcaster zu einer Eigenlob-Orgie verpflichtet. Selbst das lässig konzipierte Format Die Abstauber mit den FM4-Freunden Födinger/Hörtnagl/Funke startete ihren Burschen-Stammtisch mit Social-Media-Verlesungen von superlativen Übertreibungen. So schlecht, dass man sie nach einer halben Stunde einfach ausfaden lassen musste (wie es erklärungslos geschah) war’s dann aber auch nicht.

Viel schlimmer war die als Insider-Show angekündigte Resterampe Mein Verein, wo sich zwei Experten und drei Hosts um 12 Vereine kümmern und dementsprechend allgemein, unkonkret und standardisiert klingt es dann, wenn sich Experte Konsel Fernbetrachtungen über Altach abringt. Manuel Ortlechner, der sich tatsächlich vorbereitet hat, seine Insider-Infos aber in der Hetzerei zwischen Gimmick-Rubrik und platten Fragen nicht unterbringt, kann einem leidtun. Die Vereinsseiten handhaben die Möglichkeit, ihre Spiele in voller Länge zu zeigen, unterschiedlich. Und die großen Printmedien, vor allem der Boulevard, warten noch ab. Die Kronen-Zeitung, sonst mit sehr vielen Fußballseiten ganz hinten drin zum Verkehrt-Reinblättern, hat dort aktuell Formel 1 und Tennis platziert.

Die von der Liga angestrebte Beschönigungs- und Affirmations-Show findet also nur vor jenen statt, die sich wirklich interessieren, einem 5-stelligen Core-Publikum.
Dabei ist die abgelieferte Qualität auch jenseits von platten Schlagzeilen (so viele Tore!) und anderen primitiven Bejubelungen aus sich heraus interessant. Was an einigen sehr guten Coaches liegt, die heuer am Start sind.

Die Qualität der Liga-Trainer

So hat sich Austria-Trainer Letsch für ein spielerisch höchst ambitioniertes 4-3-3 entschieden, wie es Marco Rose letzte Saison in Salzburg praktizierte - als 4-1-2-1-2 mit Dominik Prokop als echtem Zehner hinter zwei Spitzen.

Rose seinerseits hat sich ins nächste Level vorgearbeitet und löst den Abgang von Valon Berisha mit einer Neuausrichtung mit drei echten Spitzen, die sowohl über außen als auch aus dem defensiven Zentrum unterstützt werden und so den sonst so sicheren LASK an die Wand quetschten.

Das 5-2-3 eines weiteren Salzburg-Schülers, Oliver Glasner wiederum hat sowohl Weissenböcks Ried als auch Daxbachers Innsbruck (das sonst auch im 4-3-3 antritt) inspiriert. Und Heiko Vogel hat sich bei der WM England besonders gut angeschaut und deren 5-3-2 (offensiv als 3-5-2 lesbar) adaptiert. Der Versuch eines 5-4-1 gegen Ajax sah weniger gut aus.

Selbst das sonst so statische Rapid hat sich was überlegt und seine Strategie rund um Genius Knasmüller herumgebaut, dem Freigeist, der ihr sonst so formelhaftes 4-2-3-1 sprengt. Sowohl Altach (Grabher), Mattersburg (Baumgartner) als auch Hartberg (Schopp, der auch schon anders konnte) traten in einem klassischen 4-3-3 mit einem enger stehenden Mittelfeld und weiten Flügeln an.

Andere variieren ihr 4-4-2: St. Pölten nur in kleinen Dosen (Kühbauer/St. Pölten); Baumeister/Horwath suchen ihren Ausweg aus der Admira-Krise etwa in der Abweichung 4-1-4-1.

Top of it all: Christian Ilzer und sein Wolfsberger 4-1-3-2. Sowas hab ich noch nie gesehen: Ilzer lässt seine drei offensiven Mittelfeldspieler eher im Zentrum und seine beiden nominellen Stürmer hauptsächlich an den Flügeln spielen, was in der Offensive zu einem 4-1-5 über die gesamte Spielfeldbreite führt. Das läuft noch nicht ganz rund, bietet aber ein Füllhorn an Möglichkeiten.

Ich erwarte nicht, dass derlei im aufgeplusterten Medien-Mainstream besprochen wird - aber auch bei diesbezüglich verlässlichen Online-Medien erhält selbstbespiegelnder Tand mehr Aufmerksamkeit, als nötig. Weil fast alle Medien im von der Liga ausgegebenen Message-Control-Denken drinstecken und ihre eigentliche Aufgabe vernachlässigen: das Suchen und Schürfen im Dienst des Publikums.

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