FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Szenenbild aus "Camping"

HBO

fm4 in serie

Im Wald blühen die Neurosen

Dass Camping keine gute Idee ist, hab ich immer schon gewusst. Nach den ersten vier Episoden „Camping“ bin ich mir aber noch nicht ganz sicher, ob die neue Serie von Lena Dunham ein gute Idee war.

Von Pia Reiser

Wenn sich sich vier Paare für einen Camping-Ausflug im Wald treffen, dann ist das ist eine gar nicht mal so schlechte Ausgangslage für ein Horror-Szenario. Doch in der HBO-Serie „Camping“ lauern keine Monster, Hexen oder inzestuöse Hinterwäldler hinter Büschen, sondern der Horror der sozialen Interaktion, der Horror der Kleingruppe. Als Kathryn mutiert Jennifer Garner zur verkniffenen Super-Mum, zur Bauchtaschen-Trägerin (nicht im neu-coolen über-die-Schulter-oder-Brust-Style, sondern tatsächlich um! den! Bauch!), die anlässlich des 45. Geburtstages ihres Mannes Walt (David Tennant) den Camping-Ausflug der befreundeten Paare organisiert hat.

Die gemeinsame Zeit am College und die Running Gags von damals halten die Gruppe zusammen. Doch so eine Geburtstagsfeier braucht mehr als ein paar Freunde und die Schmähs von damals. Kathryn schleppt also ganze Aktenordner mit genau geplanten Tages-Aktivitäten mit sich mit und kommandiert ihre Freunde an dem idyllischen Ort herum. Anspannung statt Entspannung.

Szenenbilder der Serie "Camping"

HBO

Das Zelt als Wille und Vorstellung: David Tennant und Jennifer Garner in „Camping“

Neulich im Kamp Krusty

Und so irritiert die Figur der Kathryn erstmal, weil es – zumindest in den ersten vier Episoden, die der Presse vorab gezeigt wurden – kaum eine Entwicklung dieser Figur gibt. Kathryn ist eine weibliche Hauptfigur, die nicht viel mehr ist als der oft bemühte Stereotyp der unentspannten, humorlosen, herrischen Frau. Sie ist eine derartig anstrengende und unfreundliche Figur, dass die Prämisse der Sendung im Grunde permanent in Frage gestellt wird. Warum würde irgendjemand der Einladung zum Campen folgen, man kann sich ja schon ausmalen dass das - um es mit Simpsons-Terminologie zu beschreiben - mehr wie im Kamp Krusty und weniger wie auf Rancho Relaxo sein wird.

Aber schenken wir „Camping“ mal den benefit of the doubt, dass in den restlichen vier Episoden mit dieser Figur noch etwas passiert, das ihre anfängliche Stereotypisierung als verklemmter Kontrollfreak rechtfertigt. Vielleicht ergibt es auch irgendwann Sinn, dass alle SchauspielerInnen so agieren, als wären sie in einem Judd Apatow-Film, während Jennifer Garner die Sitcom-Mimik- und Gestik ausgepackt hat.

„Camping“ startet am 14. Oktober auf HBO

Es verwundert ein bisschen, dass Lena Dunham nach der Serie „Girls“ mit „Camping“ als nächstes Serien-Projekt ausgerechnet die Bearbeitung einer britischen Serie fürs US-Fernsehen ausgesucht hat. „Girls“ war bahnbrechend in seiner Darstellung der vier jungen Frauen, dem satirischen Ton, dem feministischen Anstrich, dem Inszinieren der millennial angst . „Girls“ schien auch davon zu profitieren, dass Dunham hier so manches Autobiografisches einfließen ließ oder zumindest bei all den Dialogen über Liebe, Freundschaft, Sex oder Popkultur sehr genau wusste, wovon sie erzählte. Dieser Aspekt fehlt bei „Camping“ und seinen verkorksten, Mitte-40-Jährigen, schießbudenartigen Figuren. Wir wollen jetzt nicht die olle Mark Twain-Kamelle des Write what you know auspacken, doch die Kluft der Dialog- und Dramaturgie-Qualität zwischen „Girls“ und „Camping“ ist zu auffallend, als dass man sie unerwähnt lassen kann. Man wäre mit „Camping“ sicherlich weniger streng, würde nicht Lena Dunhams Name drauf prangen.

Szenenbild der Serie "Camping"

HBO

Eine Parallele gibt es dann doch zwischen Hauptfigur und Autorin. Beide hatten eine Hysterektomie, eine Entfernung der Gebärmutter. Und während Dunham einen Essay in der Vogue veröffentlicht hat und ihre Follower via Instagram an der Genesung teilhaben ließ, kann Kathryn kaum einen Dialog führen, ohne den Eingriff zu erwähnen, der bereits Jahre zurückliegt. Und so wird „Camping“ zu einem halbstündigen Comedy-Format, in dem es sich oft um Frauen und ihr Verhältnis zu ihrem Körper dreht. Wenn Garner ihrer 44-jährigen, kinderlosen Schwester brüllend vorwirft, sie würde ihren fabelhaft funktionierenden Uterus quasi vergeuden, dann verschwindet auch kurz das übertriebene Spiel Garners, dann verliert ihre Figur kurz den Panzer der Karikatur.

Doch es geht natürlich nicht nur um Mütter und Gebärmütter. „Camping“ legt die kleinen Furchtbarkeiten der menschlichen Natur, umgeben von der herrlichen Natur, offen. Angestaute Wut, vergeben und vergessen geglaubte Konflikte, Sucht, Angst und Unsicherheiten brechen im Wald bei allen Teilnehmern hervor. Bald brauchen alle einen Schnaps, besonders die, die eigentlich gar keinen trinken sollten.

Warten auf die Eskalataion

Und nichts bringt die Dynamik eines Freundeskreises - und Kathryns minutiösen Plan - schließlich so durcheinander, wie ein neues Gesicht in der Runde. Juliette Lewis tanzt, leicht verhuscht und dies herrlich spielend, als neue Freundin von Miguel an. Hat immer ein Pflegeöl, eine Tablette oder eine Handauflegung parat, um Wehwechen zu lindern. Oder eine große Schere, um Frisurenverbesserungen vorzunehmen. Sie ist das chaotische, gefühlsgesteuerte Gegengewicht zur kontrollierten Kathryn und manchmal schaut sie nicht genau und gibt Leuten, die ein Schlafmittel wollten, ein Aufputschmittel. Hätte „Camping“ auch nicht schlecht getan, so ein dramaturgisches Aufputschmittel hie und da.

Szenenbilder der Serie "Camping"

HBO

Nach vier Folgen lässt einen „Camping“ ein wenig ratlos und unzufrieden im Wald zurück. Wer auf wohlformulierte, angenehm klugscheißerische Zeitgeist-Stakkatos wie in „Girls“ gehofft hatte, wird enttäuscht sein. Die Serie geht aber auch nicht an die humorische Schmerzgrenze in ihren Geschichten über die Seltsamkeit menschlichen Verhaltens und über den oft kleinkindähnlichen Egoismus dieser Erwachsenen. „Camping“ ist nicht das neue „Curb your Enthusiasm“ oder „The Office“. Im Trailer finden sich hauptsächlich Szenen aus den letzten vier Episoden, die eine weitere Eskalation andeuten.

Ich mutmaße und hoffe, dass die Stärke von „Camping“ sich in der zweiten Staffelhälfte zeigen wird, wenn mehr und mehr die Maskenreste der Höflichkeit fallen und nach vier Folgen Frustaufbau, sich dieser in den restlichen vier Folgen kawummsartig entlädt.

mehr TV-Serie:

Aktuell: