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Star Trek Discovery

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Star Trek Discovery vs. The Orville

Zwei Sci-Fi-Serien, eine Kontroverse: Was ist das „Wesen“ von Star Trek?

Von Christoph Weiss

Vor Kurzem konnten wir Episode eins der zweiten Staffel von „Star Trek Discovery“ sehen. Die vom TV-Sender CBS produzierte Serie wird nicht im terrestrischen oder satellitengestützten Fernsehen ausgestrahlt, sondern ausschließlich über Streamingdienste im Internet. Das ist nicht der einzige Umstand, der sich vom herkömmlichen Rezept unterscheidet. Discovery, die erste neue Star-Trek-Serie seit eineinhalb Jahrzehnten, bricht mit Traditionen und ist deshalb nicht unumstritten. Ein Blick auf die Bewertungen bei Rotten Tomatoes zeigt, dass Kritiker überwiegend positiv, Zuseherinnen und Zuseher hingegen negativ urteilen.

Zahlreiche Youtube-Videos und Forum-Posts zeigen, dass unter den Enttäuschten überwiegend Fans sind, die das Franchise seit vielen Jahren rezipieren. Der Grundtenor: Die Serie - ein Prequel, das zehn Jahre vor der Originalserie spielt – breche mit dem etabierten Kanon und fühle sich nicht „richtig“ an. Denn was Star Trek ausmache, sei einerseits das Zusammenspiel von Menschen an Bord eines Raumschiffs, deren Charakterzüge und teils schrullige Eigenarten, andererseits der stets subtil eingeflochtene gesellschaftspolitische Kommentar. Tatsächlich lässt die Serie beides schmerzlich vermissen: Das Geschehen konzentrierte sich - zumindest in Season eins - weitgehend auf die Figur Michael Burnham, einen gefühlskalten Supermenschen mit Lösungskompetenz für eigentlich eh alles.

STD

CBS

Der Fokus auf die Figur Burnham war eine bewusste Entscheidung des Teams rund um Alex Kurtzmann, zuvor auch Co-Autor der ersten zwei J.J.-Abrams-Verfilmungen von Star Trek. Bis dahin hatte Kurtzmann mit dem Franchise nichts zu tun, sondern schrieb für eher erbärmliche Serien wie Hercules.

Die Unbedarftheit, mit der Kurtzmanns Autorenteam an den Stoff herangeht, macht sich in zahlreichen Kleinigkeiten bemerkbar. Detailverliebte Fans beschweren sich über das Skelett eines Gorn, das in der Kabine von Captian Lorca steht, obwohl die Spezies laut Kanon erst Jahre später von Kirk entdeckt wird, ebenso wie ein Tribble an Bord der Discovery. Die Serie, so die Kritik, benutze ständig Referenzen und Querweise, um an Glaubwürdigkeit zu gewinnen, tue das aber zu schlampig und respektlos.

Zu den etwas größeren Ärgernissen für Fans gehört der Umstand, dass Klingonen in STD nun Menschenfleisch essen – eine Praxis, die allem widerspricht, was wir bisher über diese Spezies wussten. Oder, dass die Föderation der Vereinigten Planeten zulässt, dass die bösartige Version eines Sternenflotten-Offiziers, Philippa Georgiou, ehamals brutale Diktatorin im Mirror Universe, trotzdem zur Leiterin des Geheimdienstes Section 31 wird. Auch, dass das Raumschiff Discovery über einen neuartigen Antrieb verfügt, mit dem das Schiff binnen Sekunden jeden beliebigen Punkt der Galaxis erreichen kann, stört – denn von dieser Technologie wird in keiner der späteren Serien jemals ein Wort erwähnt.

Um die Zahl der Abonnenten des Streamingdienstes CBS All Access hochzutreiben, führt Kurtzmann in der nun gestarteten Staffel – entgegen vorhergegangener Versprechen – zwei Charaktere der Originalserie ein: Christopher Pike, in der ursprünglichen Pilotfolge der Originalserie („The Cage“) ein trockener, tougher Captain der Enterprise, wird nun zum jovialen, scherzenden Sympathieträger uminterpretiert. Und von Spock, so heißt es in Gerüchten und Fantheorien, werden wir emotionale Ausbrüche und die Enthüllung einer bisher geheimgehaltenen, romantischen Beziehung mit seiner Adoptivschwester Burnham erleben.

Trotz all dem beharrt Kurtzmanns Team darauf, dass die Geschehnisse der Serie in der Timeline und dem Universum der klassischen Serie stattfinden. Die Fans sind anderer Meinung – davon zeugen hunderte Youtube-Videos, Artikel, Kommentare und Analysen. Interessante Beobachtung dabei: Viele der Rants gegen die Unstimmigkeiten erhalten mehr Views als offizielle Interviews mit den Gestalter/innen und Stars von Star Trek Discocery.

Immer wieder gewagte Einfälle

Man könnte argumentieren, dass Disovery sich auf seine eigene Weise genauso weit aus dem Fenster lehnt wie vorhergehende Serien: Der Rassenwahn der Klingonen kann als Kritik an der aktuellen US-Politik der Angst interpretiert werden. An Bord des Raumschiffs befand sich in Season eins – erstmals – ein homosexuelles Paar. Protaginistin Michael Burnham ist Afroamerikanerin und eine Frau, während die an Bord des Raumschiffs dominierende, männliche, weiße Figur sich im Lauf der Geschichte als faschistischer Supervillain entpuppt.

Trotzdem: Es fehlt an gewagten Einfällen, an wirklichen Denkanstößen, an relevanter Science Fiction. Wehmütig in Erinnerung kommen stattdessen gelungene Episoden vorangeganger Serien wie „Unexpected“ (Enterprise), in der Trip Tucker – ein Mann – überraschend schwanger wird; „A Private Little War“ (The Original Series), eine gekonnte Anspielung auf den Vietnamkrieg, in der Kirk und McCoy in ein ethisches Dilemma hinsichtlich der Einmischung in einen Konflikt geraten; oder die Doppelepisode „Homefront/Paradise Lost“ (Deep Space Nine), die heute sogar mehr verblüfft als anlässlich ihrer Erstausstrahlung, weil sie den Patriot Act und den Überwachungswahn der Post-9/11-Ära gekonnt vorausgesagt hat. Gleichwertiges ist in Star Trek Discovery bisher nicht zu spüren.

The Orville

Bereits fünf Episoden der zweiten Staffel konnten wir von der anderen neuen Science-Fiction-Serie „The Orville“ sehen - und sie scheint sich zunehmend mit dem bewährten Rezept wohl zu fühlen.

Seth MacFarlanes The Orville handelt von seltsamen Humanoiden an Bord eines Raumschiffs, die wir mit jeder (in sich abgeschlossenen) Episode ein bisschen besser kennenlernen. Schon in Staffel eins präsentierte The Orville eine Geschichte, in der ein überaus sensibles Thema - erzwungene geschlechtsanpassende chirurgische Eingriffe bei Neugeborenen – so souverän wie unterhaltsam behandelt wird. Und dass es auch an Bord der Orville ein Liebespaar aus zwei Männern gibt, wird mit mehr Tiefe und unverkrampfter dargestellt als bei der Konkurrenz.

Orville

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Die Serie, anfangs von vielen als bloße Hommage oder Parodie auf Star Trek missverstanden, hat mit Hirn und Charme die Herzen der Fernsehzuschauer erobert. Auf Rotten Tomatoes zeigt sich im Vergleich mit Discovery das gegenteilige Bild: The Orville erhält vom Publikum nämlich knapp 100% Zustimmung, während die Fernsehkritiker der auf der Website erfassten Medien sie überwiegend negativ beurteilen.

Amüsanterweise greift The Orville während der zweiten Season sogar Elemente der ersten Staffel von Discovery auf. So trägt zum Beispiel - Spoileralarm – eine Figur, die sich als Spion an Bord des Schiffs herausstellt, den gleichen Namen wie zuvor ein ebensolcher an Bord der Discovery. Auch hier schlägt das Geschehen, von dem The Orville erzählt, die Geschichte in Discovery hinsichtlich Erzählweise, Witz und Spannung.

CBS weiß sich derweil nicht anders gegen The Orville zu helfen als den Termin, an dem jede neue Episode von Discovery per Stream abrufbar ist, eine halbe Stunde vor der terrestrischen Ausstrahlung von The Orville anzusetzen. Das ist jämmerlich.

Eines ist aber gewiss: Sowohl die Rivalität zwischen The Orville und Discovery, als auch die Kontroverse rund um den Kanon und das „Wesen“ von Star Trek, machen die Sache spannender. Die zweite Season von Discovery startete vielversprechend, und beide Serien sind es wert, gesehen zu werden.

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