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Daenerys Targaryen nach der Schlacht um King's Landing

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Das war das große Serienfinale von Game Of Thrones - und wie es danach weitergeht

Es ist vorbei. Nach 73 Folgen hat sich die Serie „Game Of Thrones“ in der Nacht von gestern auf heute von den Fernsehbildschirmen verabschiedet. Und das natürlich mit den Worten: „When You Play The Game Of Thrones You Win Or You Die.“ P.S.: Achtung Spoiler!

Von Lisa Schneider

Während geschätzt 45 Millionen Menschen weltweit dem Finale von Game Of Thrones entgegengefiebert haben, hat sich gleichzeitig eine einigermaßen fragwürdige Petition bereits über eine Million Unterschriften gesichert: HBO wird da aufgefordert, die gesamte 8. Staffel noch einmal zu drehen.

Über die ersten drei Folgen dieser finalen Staffel von Game Of Thrones habe ich mich andernorts schon genug empört. Ich habe die Vorwürfe vieler geteilt - den Verlust der vorher großartigen Dialoge und des Witzes, das Abflachen der zwischenmenschlichen Beziehungen, die oft unlogischen Entwicklungen vieler Hauptcharaktere. David Benioff und D. B. Weiss bezeichnen sich selbst - vielleicht sogar in dem Wissen, dass sie als Schreiber der Geschichte weit hinter George R. R. Martin zurückfallen - nur als die „Showrunner“. Ein Fazit: Ja, die 8. Staffel hätte einfach bessere Schreiber gebraucht. Die Punkte, über die sich aber etwa die Initiator*innen der Petition aufregen, tun da allerdings wenig zur Sache.

Daenerys Targaryen going mad

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Der größte Aufschrei - vor allem in den sozialen Medien - galt der fünften, also der vorletzten Folge. Daenerys gone mad. Danach ging besagte Petition online. Dabei war das einer der Momente dieser doch im großen und ganzen eher laschen Staffel, der geboten hat, was Game Of Thrones (lassen wir die 7. Staffel hier vielleicht auch weg) versprochen hat: Unerwartetes. Und dabei war Daenerys’ Kehrtwende so klug eingefädelt, dass sie nur auf den ersten Moment unerwartet schien, obwohl sie tatsächlich schon lange in ihrem Charakter angelegt war. Paranoid und rachsüchtig war sie schon immer. „Mercy“ schon immer das Wort, das ihr nur sehr schwer über die zusammengekniffenen Lippen gekommen ist. Dass sie infolge all des Verrats und Betrugs an ihrer Person die Schalter umlegt ist schrecklich - und schrecklich gut inszeniert. Außerdem hat diese vorletzte Folge eine gute Balance zwischen Schlacht- und Zwischensequenzen gefunden (nicht wie die drei vorangegangenen immer nur entweder-oder). Sie war, angefüttert mit fantastischer Atmosphäre, durch die visuellen Effekte einer Kinoleinwand durchaus würdig.

Das große Finale

Tyrion Lannister wandert durch die Trümmer seiner ehemaligen Heimat King’s Landing, bevor er Danaerys die Anstecknadel, die ihn zur Hand Of The Queen gemacht hat, vor die Füße wirft. Sie hat gerade ihren restlichen Unsullied und Dothraki eine Brandrede („Blood Of My Blood! You Have Given Me The Seven Kingdoms!“) im Wortsinn gehalten: Nachdem sie die Stadt bis auf ihre Grundfesten niedergebrannt hat, verkündet sie, der Krieg sei nicht vorbei, bevor nicht alle gemetzelt, ähem, befreit wären.

Tyrion wird in den Kerker geworfen - nicht wegen seiner Kündigung, sondern weil er versucht hat, seinen Bruder Jaime Lannister zu befreien.

Tyrion Lannister

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Tyrion Lannister bleibt sich treu: „I drink and I know things

Eine sehr lange Sequenz und Höhepunkt der ersten Hälfte der letzten Folge ist das Gespräch zwischen Tyrion und Jon Snow. Peter Dinklage als Tyrion, dem schön langsam dämmert, wie sehr er sich in Daenerys getäuscht hat, ist wie immer der rhetorische Retter der Situation. Und Kit Harrington ist der kuhäugige, liebe, tumbe Tor mit dem Stehsatz „She is my queen.

Er tut es dann schließlich auch: er ermordet seine Königin. Nachdem Daenerys, die mittlerweile wahnhafte Predigerin, Jon Snow im in Trümmern liegenden Thronsaal zur Kollaboration zu überreden versucht, gibt es noch einen letzten, leidenschaftlichen Moment.

Kuss, Schwert, Tod. Oder, wie Tyrion es formuliert hätte: „Sometimes duty is the death of love.

Das High-Speed-Storytelling von Benioff und Weiss findet hier seinen Höhepunkt. Wir spulen gleich mal einige Wochen vor und bekommen nicht einmal die Reaktionen aller anderen auf den Mord an Daenerys zu sehen. Als wir wieder einsteigen, sitzt Jon schon - dem Bart nach einige Wochen lang - im Gefängnis.

Der nächste seltsame Erzählmoment folgt auf dem Fuße: plötzlich sitzen da, wo früher einmal Cersei mit Daenerys über den Kampf gegen die White Walker verhandelt hat, alle Figuren, die halt noch übrig sind. Als wollte man alle Überlebenden noch einmal auf einem Gruppenfoto festhalten. Say „Dothrakiiii“.

Arya, Brandon und Sansa Stark

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Brandon „The Broken“ Stark will fast genau so wenig wie Jon Snow auf dem Thron sitzen.

Ser Davos, Brienne Of Tarth, Edmure Tully, John Arryn, ein namenloser dornischer Prinz, die in den Geschehnissen offenbar völlig untergegangene Yara Greyjoy. Natürlich auch die letzten Starks: Arya, Sansa und schließlich Brandon. Er, dessen Storyline in dieser finalen Staffel so dermaßen abgeflacht ist, dass es mehr als seltsam erscheint, dass er die Krönung zum neuen König überhaupt annimmt. So wird man also auch ohne Sozialkompetenz zum Herrscher. Über Sams Vorschlag, demokratische Wahlen abzuhalten, lacht die Westerosi-Upperclass; dass ein König nicht mehr geboren, sondern zumindest von ihnen bestimmt werden soll, kann ihnen Tyrion aber doch noch abringen.

Ich war mit Taschentüchern ausgestattet. Die Enden, die Benioff und Weiss für ihre übriggebliebenen Hauptfiguren erdacht haben, waren aber keiner Träne wert.

Tyrion wird wieder zur Hand Of The King ernannt. Arya will die Teile der Welt entdecken, die noch auf keinen Karten verzeichnet sind und segelt los, wie damals, nach Braavos. Bran, Zusatzname „The Broken“, regiert nur mehr über sechs Königreiche: Sansa hat es geschafft, den Norden zu befreien und wird in einer der letzten Sequenzen zur „Queen in the North“ gekrönt. Und Jon? Jon sieht noch immer traurig aus. Obwohl, ganz am Ende, da umspielt ein leichtes Lächeln seine Lippen: Wiedervereint mit Tormund und seinem Wolf Ghost wird er, im Gegenzug für seine Taten, zurück zur Night’s Watch geschickt. Dass diese ihren einzig inhärenten Grund, überhaupt zu existieren, verloren hat, scheint ihm dabei nichts auszumachen.

Jon Snow und sein Wolf Ghost

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Ein Ende, das sich nicht wie ein Ende anfühlt. Hier holt die Showrunner die eigene, übertriebene Schnelligkeit ein: Eine Geschichte wie die von Game Of Thrones lässt sich teilweise anhand von episch inszenierten Schlachten und atmosphärischer Dichte erzählen - die emotionale Entwicklung der Charaktere und vor allem die Entwicklung von Beziehungen (bestes Beispiel: das Desaster Jaime Lannister-Brienne) ist aber nicht in sechs viel zu knapp geplanten Folgen abzuhandeln.

Wie Game Of Thrones das Fernsehen und das Fantasygenre verändert hat

George R. R. Martin hat mit seinen Büchern traditionelle, oft voraussehbare Fantasy-Erzähltraditionen aufgebrochen. So auch die Serie: Eines der besten Beispiele ist die 9. Folge der dritten Staffel, „The Rains Of Castamere“ - auch bekannt als „The Red Wedding“. Es ist dieser kurze Moment am Ende der Folge, in dem ein Gutteil des Hauptcasts sehr schnell, sehr blutig und halbwegs unerwartet abgemetzelt wird. Es ergibt sich daraus kein „Problem“ im erzählerischen Sinn, weil Martin seine Geschichte nicht nur um eine Hauptfigur kreisen lässt. Wer die Bücher gelesen hat, weiß, dass das ohnehin schon sehr umfangreiche Personenarsenal der Serie nur einen Bruchteil der literarischen Vorlage enthält.

Viele Menschen sind mit Fantasy-Klassikern wie „Der Herr der Ringe“ oder „Harry Potter“ aufgewachsen. Und viele haben als junge Erwachsene begonnen, Game Of Thrones zu schauen. Sie waren zwar daran gewöhnt, Fantasy zu konsumieren, aber vor GoT in einer ganz anderen Form: Es stand eigentlich immer ein durchwegs guter Hauptcharakter im Mittelpunkt. Es gab zwar Gewaltszenen, aber keine so explizit grausamen Darstellungen - und schon gar keinen Sex. „Harry Potter“ und „Der Herr der Ringe“ verhandeln den alten Kampf zwischen Gut und Böse (natürlich gibt es da ambivalente Figuren wie Severus Snape, Boromir, Saruman oder auch Frodo, der am Schluss den Ring doch nicht in den Schicksalsberg werfen will; im Großen und Ganzen aber funktionieren die Charaktere ohne Grauschattierungen).

George R.R. Martin hat Fantasy nicht neu erfunden - aber vieles anders gemacht. Obwohl als „Fantasy“ bezeichnet, schieben vor allem die ersten Staffeln von Game Of Thrones dezidiert entsprechende Aspekte in den Hintergrund; es wirkt alles ganz nah an einer Welt gebaut, die an das europäische Mittelalter erinnert. Außerdem, und das ist für viele Zuseher*innen das Beste an der Serie: Mehr als um Drachen, Untote oder anderes Übernatürliches geht es um Politik, Intrigen, komplexe gesellschaftliche und persönliche Beziehungen. Zumindest in den ersten Staffeln.

Gerade als Game Of Thrones als Serie populär geworden ist, hat sich außerdem punkto Streaming einiges getan. Sehr schnell hat sich eine Online-Community von vorher ungekannter Reichweite um die Serie aufgebaut. Seit Serienstart 2011 sind die Zuseher*innenzahlen laufend gestiegen - 2014 haben sie sogar die HBO-Cashcow „The Sopranos“ überholt. Sie alle, oder zumindest ein Großteil will diskutieren, sich austauschen, Frust ablassen. Vor allem aber: die eigene Sicht auf Game Of Thrones mit anderen teilen.

Aus dieser breitenwirksamen Dynamik hat sich eine Fankultur ergeben, die man in Zeiten von Potter und HdR so noch nicht erlebt hat: Online-Foren sind voll von Fantheorien, wie es weitergehen wird. Unzählige haben diese letzte, achte Staffel angesehen und nicht erst danach, sondern währenddessen mit hunderten anderen darüber getwittert. Ob man Game Of Thrones selbst verfolgt oder nicht - gerade jetzt im Rummel um die letzte Staffel war JEDER Social-Media-Feed voll mit Memes, Zitaten oder Spoilern zu Game Of Thrones.

Auch große, internationale Medien von The New York Times bis The Guardian schreiben wöchentlich über die jeweils aktuelle Folge der letzten Staffel. Diese Art von medialer Präsenz hat bis jetzt keine Fernsehserie erreicht.

Und was tut diese große Fanbase jetzt, nach dem Ende von Game Of Thrones? Es ist natürlich vorgesorgt.

So geht’s weiter: Game Of Thrones und seine Spin-Offs

Vor zwei Jahren schon wurde angekündigt, die Vorgeschichte zu Game Of Thrones verfilmen zu wollen. Jetzt haben die Dreharbeiten in Belfast begonnen.

„Bloodmoon“ heißt das erste geplante Spinoff, das über 5000 Jahre vor der aktuell verfilmten Serie spielt. Es soll hauptsächlich um die Entstehung der White Walker und all ihrer schrecklichen Geheimnisse gehen.

Naomi Watts

Coldrey James

Naomi Watts wird im kommenden Game Of Thrones-Spinoff „Bloodmoon“ zu sehen sein.

Die zweimal Oscar-nominierte Naomi Watts wird eine der Hauptrollen übernehmen; mit dabei sind außerdem auch Josh Whitehouse (Poldark), Naomi Acki (Lady MacBeth), Jamie Campbell Bower (Twilight, Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen), Ivanno Jeremiah (Humans, Black Mirror), Toby Regbo und Georgie Henley (Die Chroniken von Narnia). Und auch schön: die mit dem Golden Globe ausgezeichnete Miranda Richardson, die schon in „Harry Potter und der Feuerkelch“ und „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, Teil 1“ mitgespielt hat, soll ebenfalls einen Fixplatz im Seriencast erhalten.

David Benioff und D. B. Weiss sind am Spinoff nicht beteiligt (sie drehen in der Zwischenzeit den nächsten Star Wars-Film) - George R.R. Martin aber schon.

Und: neben dieser Fortsetzung sind Gerüchten zufolge noch drei weitere in Planung. Kleiner Wermutstropfen: die erste, das oben erwähnte „Bloodmoon“, wird vermutlich frühestens Ende 2020 ausgestrahlt. Gut, dass Fans von Game Of Thrones in Geduld mehr als geübt sind.

Ausweichideen bis dahin: „Die Chroniken von Narnia“ werden wohl demnächst in Serienform auf Netflix zu sehen sein. Von Amazon Prime wiederum darf man sich eine „Herr der Ringe“-Serie erwarten. Und wer sie noch nicht gesehen hat: die hervorragende Serie „Westworld“ ist auch ein heißer Nachfolge-Tipp.

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