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MARC CARNAL

Sieben problematische Türen

Altbautüren beim Arzt, Drehtüren im Einkaufszentrum und fehlende Laschen beim Adventkalender - Problematische Türen sind das First World Problem der Saison.

Eine Kolumne von Marc Carnal

Oft fragen mich meine Fans: Marc, du alter Ficker, wie machst du das eigentlich, dass dir nie die Themen ausgehen? Einen Batzentext nach dem anderen schießt du aus dem Handgelenk und ein jeder ist noch interessanter als der vorherige! Was ist bloß dein Geheimnis?

Das ist eine
a) gute
und
b) berechtigte
Frage, die ich
c) beantworten kann:
Mein größtes Geheimnis sind einerseits
d) unlogische Aufzählungen. Außerdem interessiere ich mich nicht nur für zwei oder drei Themen (z.B. Garten, Züge, Games), sondern für sehr viele! Aus diesem Grund ist es überhaupt kein Problem für mich, die Leser-Gehirne mit Ausführungen über problematische Türen aller Art zu bereichern:

1. Autotüren

Autos sind heute serienmäßig in der Lage, mittels Gesichtserkennung die Spotify-Playlist auf die Sitzheizung abzustimmen und beim automatischen Einparken den Tesla-Aktienkurs vorzulesen. Die Basis-Ausstattung von Autos hat sich in den letzten siebzig Jahren allerdings nicht nennenswert weiterentwickelt. Beispiele: Scheibenwischer, Tankdeckel, Hupe. Und vor allem: Die Türen! Zwar sieht man ab und zu lächerliche Angeber-Karren, bei denen sich die Türen automatisch schließen und öffnen, bei den allermeisten Neuwagen-Türen muss man aber nach wie vor Gewalt anwenden, um sie zuzukleschen. Das ist bemerkenswert. Unzählige Elektro-Gimmicks, Spurhalte-Assistenten, Warnsysteme und Airbag-Innovationen machen das Autofahren immer deppensicherer, mit den scheiß Türen kann man in einem unachtsamen Moment aber nach wie vor Kinderhände amputieren (Schockbeispiel, um die Autoindustrie wachzurütteln).

2. Die Urlaubs-Badezimmertüre

Die meisten Features von Hotelzimmern werden mit steigendem Preis und der Anzahl der Sterne besser. Eine Ausnahme bildet die Türe des Badezimmers. Ob Hostel oder Hilton: Am allerwenigsten Gedanken machen sich Hotel-Innenarchitekten über die Sound-Durchlässigkeit der Badezimmertüren. Oft sieht man sogar den Spalt unten, der die Verdauungs-Geräusche fast ungedämmt nach außen dringen lässt. Man muss Fernseher und Belüftung schon auf Hochtouren laufen lassen und zusätzlich den Mitreisenden zu einem Telefonat überreden, um halbwegs unbehelligt scheißen zu können.

Buchcover "Die sieben Säulen des Glücks"

Milena Verlag

Wer nebenstehenden Text „ganz ok“ bis „recht nett“ findet, kann sich die volle Dosis an Carnal-Kolumnen im FM4-Shop besorgen.
Pro verkauftem Exemplar kommt dem Autor nach Steuer und SVA rund 1 Euro zugute. Also Augen auf bei der Berufswahl!

Man könnte meinen, dass sich wenigstens luxuriöse Hotels dieses Problems annehmen. Doch einmal wurde mir eine Nacht in einem Münchner Fünf-Sterne-Haus zuteil. Es war nicht zu fassen, was da als Bade”zimmer” durchging: Eine Art Pendant zur offenen Küche, nämlich Klo und Wanne, die nur durch eine dünne, einen guten Meter hohe Plexiglas-Wand vom Schlafbereich getrennt waren. Die Füße des Mitreisenden konnte man unten bis über die Knie betrachten, oben lugte sein peinlich berührter Gesichtsausdruck beim Zähneputzen in meine Richtung. Wir vereinbarten halbstündige Bad-Schichten, um die Verkrampfung zu lösen. Entsetzlich!

In enger Verwandtschaft zur Urlaubs-Badezimmertüre steht

3. Die Arzt-Altbautüre

Das royale Flair alter Flügeltüren wollen wir in unseren guten Stuben natürlich niemals gegen seelenlose Neubau-Türen eintauschen. Bei Ärzten, die in Gründerzeit-Bauten praktizieren, wäre es allerdings wünschenswert, das Wartezimmer vom Behandlungsraum möglichst schalldicht zu trennen. Weder das Brüllen beim Aderlass noch die Osteoporose-Diagnose sind für anderer Patienten Ohren bestimmt.

4. Billig-Adventkalender-Türen

Investiert man nicht mindestens den Bausparer in einen Edel-Adventkalender, der mit erlesenen Trüffel-Pralinen gefüllt ist, darf man sich keinesfalls gute Schoki erwarten! Die kleinen Naps in Engels- und Tannenform bestehen nämlich aus eingeschmolzenen Schokohasen, die wiederum aus eingeschmolzenen Katzenzungen bestehen! Der wesentliche Unterschied zwischen billigen und Mittelklasse-Adventkalendern besteht in den Türchen. Für zwei drei Euro extra bekommt man immerhin kleine Seitenlaschen, mit deren Hilfe sich die Türchen halbwegs komfortabel öffnen lassen. Billige Kalender haben diese Laschen nicht. Eine minutenlange Fitzelei ist nötig, bis man ein Türchen offen hat.

5. Post-Selbstabhol-Türchen

Wenn in diesen depperten Post-Selbstabholungs-Filialen irgendwer sein Türl nicht gscheit zugemacht, sondern nur angelehnt hat und man vor der eigenen Paketabholung auf jeden der hunderten Tresore drücken muss, um den betroffenen Schacht zu finden, verflucht man die Robotisierung und sehnt sich nach der Menschenschlange vor dem Schalter.

6. Gartentüren zum Drübergreifen

Diese seltsamen Türen findet man vor Kleingartensiedlungs-Häuschen oder Zweitwohnsitzen im Weinviertel: Hüfthohe Gartentüren ohne Außengriff, die man nur öffnen kann, indem man sich den Arm verrenkt und drübergreift. Ein jedes Mal fragt man sich: Why? Diese Türchen halten keine Einbrecher vor dem Einbruch ab, vergällen Besuchern aber die Ankunft.

7. Drehtüren

Dass sich letztendlich immer die besten Ideen durchsetzen, ist eine falsche Binse. Bestes Beispiel: Die Drehtüre, die noch immer als Pforte für zahlreiche Einkaufszentren und Bürogebäude dient. Drehtüren sind der Beweis dafür, dass sich manchmal auch einfach die dümmsten Ideen durchsetzen. Das Konzept missachtet sowohl die Koordinationsfähigkeiten, die Geduld sowie das Gerechtigkeitsempfinden eines Großteils der Bevölkerung. Immer stoppt jemand die verfluchten Dinger abrupt, weil er vorne andrückt und damit den Stoppmechanismus auslöst. Immer steigt jemand wem anderen auf die Fersen. Und dann erst diese Unentschlossenheit in den müden Gesichtern der Aus- oder Eintrittswilligen! Soll ich noch zusteigen? Oder lieber den nächsten Slot abwarten?

Es gibt nur ein einziges Argument, das für Drehtüren spricht: Die Energie-Erparnis. Oder soll ich lieber sagen die ANGEBLICHE Energieersparnis??!! Ich glaube den Drehtüren-Lobbyisten nämlich nicht, dass ihre schändliche Erfindung einen Beitrag zur Stromeffizienz liefert. Jaaaaa eeeeeh, es entweicht weniger Heizungsluft ins Freie. Aber dafür frisst der Drehmechanismus bestimmt zehnmal soviel Atomstrom wie eine handelsübliche Schiebetür! Das haben diese Drehtüren-Schweine doch sicher wieder nicht miteinberechnet! Aber was schreib ich mir die Finger wund! Die lieben Politiker haben natürlich wiedermal „andere Sorgen“, als sich um ordentliche Türen zu kümmern.

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