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MARC CARNAL

Die Welt nach Corona: Interview mit Zukunftsforscher Manfred Horcks

Der renommierte Zukunftsforscher Manfred Horcks skizziert im Gespräch mit FM4 die neue Normalität und zieht bemerkenswerte Lehren aus der Corona-Krise.

Eine Kolumne von Marc Carnal

Marc Carnal: Herr Horcks, vielen Dank, dass Sie sich Zeit nehmen. Bevor wir über die Corona-Krise sprechen, sei mir eine Frage erlaubt: Wie wird man eigentlich Zukunftsforscher?

Manfred Horcks: Entschuldigung, aber ich höre Sie irgendwie so abgehackt… Sehen Sie mich? Herr Carnal?

Ich hör Sie gut.

Aha… Moment… Jetzt?

ICH HÖRE SIE GUT, HERR HORCKS! (schreit)

Ich bin jetzt in der Küche. Jetzt hör ich Sie auch gut.

Herr Horcks, wenn ich dieses Interview transkribiere, muss ich dann nach der letzten Frage eigentlich in Klammer “schreit” oder “schreie” schreiben? Ich hab ja selbst geschrien. (lache)

KEINE AHNUNG! (schreit)

Sie müssen nicht schreien. Meine ursprüngliche Frage war, wie man eigentlich Zukunftsforscher wird.

Wie man Zukunftsforscher wird?

Ja. Sie müssen meine Fragen nicht wiederholen, wenn Sie antworten.

Ok. Also: Ich habe nach meiner Matura an der HTL Mödling im Fachbereich Gebäudetechnik in Wien kurz Musikpädagogik inskribiert, um dann zehn Jahre auf LSD hängen zu bleiben. Als ich dreißig war, ist dann meine Mutter unerwartet verstorben. Sie ist während eines Tandem-Fallschirmsprungs verhungert. Ein wirklich ungewöhnlicher Tod. Also habe ich ihre Tankstelle übernommen und durfte als Tankstellen-Besitzer wirklich wunderschöne Erfolge feiern. Besonders herausstreichen möchte ich da den Jahresabschluss 2010 und den Diesel-Rekordpreis 2012. In den letzten Jahren ist mir das Treibstoff-Business aber irgendwie langweilig geworden und ich wollte was Neues machen.

Buchcover "Die sieben Säulen des Glücks"

Milena Verlag

Zukunftsforscher Manfred Horcks hat letztes Jahr vorhergesagt, dass „Die sieben Säulen des Glücks“ ein überraschender Bestseller wird. Diese Prognose war leider ein Rohrkrepierer. Die heitere Textsammlung gibt es trotzdem im FM4-Shop!

Also sind Sie… Zukunftsforscher geworden?

Nein, zuerst wollte ich Außenverteidiger bei Hellas Verona werden. Aber dieses Ziel war vielleicht eine Spur zu konkret. Also habe ich mir gedacht, ich werde vielleicht doch besser nebenberuflich Zukunftsforscher.

Gibt es Prognosen über die Zukunft, auf die Sie besonders stolz sind?

Ja, ich habe zum Beispiel prognostiziert, dass wir noch vor dem Jahr 2100 mit einem Roboter auf dem Mars landen werden.

Aber… das ist ja schon längst passiert, Herr Horcks.

Richtig. Und ich habe es gewusst.

Wann?

Nächste Frage.

Gibt es sonst noch Erfolge, auf die Sie zurückblicken können?

2014 haben wir ein neues Schaumpolitur-Programm bei unserer Waschstraße installiert, das von den Kundinnen und Kunden sehr gut angenommen worden ist.

Nein, ich meine als Zukunftsforscher!

Jaja, schon klar. Also: 2014 haben wir ein neues Schaumpolitur-Programm installiert. Ich habe aber schon 2013 gewusst, dass es ein voller Erfolg wird!

Aha. Kommen wir auf die Corna-Krise zu sprechen, Herr Horcks.

Sehr gerne!

Wie wird sich die Welt durch Corona verändern?

Noch vor wenigen Wochen hätten wir uns alle nicht vorstellen können, wie wir heute leben. Diese Pandemie stellt uns vor eine enorme gesellschaftliche, wissenschaftliche, wirtschaftliche und politische Herausforderung. Trotzdem glaube ich, dass die Welt nach der Corona-Krise genau die gleiche sein wird wie vor der Corona-Krise.

Wie bitte?

Ich glaube, dass… Sorry, ich meine natürlich: Meine Zukunftsforschungen haben ergeben, dass sich die Welt durch Corona überhaupt nicht verändern wird. Null, niente, nada. Schon in einigen Monaten gibt es eine Impfung gegen das Virus und dann leben wir wieder in der selben turbokapitalistischen Scheißwelt wie immer.

Wir werden mehr CO2 in die Atmo ballern als je zuvor, Supermarkt-Kassiererinnen werden wieder ohne 18-Uhr-Applaus ausgebeutet, die Touristenmassen werden wieder durch Innenstädte getrieben und in Ferienclubs gemästet, die Arbeitslosigkeit sinkt, das Bruttoinlandsprodukte steigt, die Börsen erholen sich, die Skype-Nutzung stagniert und bei Massenveranstaltungen holen wir uns zwar wieder Herpes und Tripper, aber zumindest kein Covid-19 mehr.

Und was wird von Corona bleiben?

Nicht viel. Ein dankbares Thema für Jahresrückblicke, unzählige entsetzliche Kabarett-Programme, Benefiz-Songs und Wohnzimmerkonzerte unter 100 Views, tausendfach wiedergekäute Klopapier- und Germ-Witze und ganze Altstoffsammelzentren voller selbstgenähter Gesichtsmasken. UND, fast hätte ich es vergessen: Diese schwierigen Hexen-Mathematik-Rätsel auf Facebook, bei denen man immer irgendeinen Zauberstab übersieht.
Das Unwort des Jahres wird übrigens “Ostererlass”, das Wort des Jahres “logarithmisch” und das - wie immer erfundene - Jugendwort des Jahres “coronieren”. Keine Ahnung, was es bedeuten soll.

Denken Sie denn nicht, dass sich unsere Gesellschaft verändert? Dass jeder einzelnen von uns nach dieser Krise in gewisser Weise ein anderer Mensch sein wird?

Ich bitte Sie! Als würden ein paar Wochen verordnetes Stubenhocken irgendwen besser oder klüger machen. Die meisten von uns werden ein bisschen verschrobener und um einiges fetter aus der Quarantäne kommen. Nach ein paar Wochen sind beide Effekte aber wieder verpufft und wir sind alle wieder genauso schlau wie vorher.

Herr Horcks, bei allem Respekt, aber… Sie sind ein etwas seltsamer Zukunftsforscher.

Weil ich nichts von einer paradiesischen Welt voller Mitmenschlichkeit, Erkenntnisgewinn und sozialer Gerechtigkeit daherfabuliere, sondern ein halbwegs realistisches Zukunftsbild zeichne? Wenn Ihnen meine Prognose nicht passt, müssen Sie das nächste Mal eben einen anderen Kollegen interviewen. Sorry not sorry.

Eine Frage hätte ich schon noch an Sie als Zukunftsforscher. Sagen Sie mir die Lottozahlen vom 26. April?

Ja gerne. 2, 5, 14, 20, 36, 41.

Dankeschön. Ah ja, NOCH eine Frage hätte ich.

Ja?

Die Zusatzzahl?

26.

Ich danke Ihnen relativ herzlich fürs Gespräch.

Das haben Sie schon gesagt.

Stimmt ja gar nicht!

Entschuldigung, Umlaut vergessen... Das haben Sie SCHÖN gesagt.

Danke.

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