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Influencer Dave

ORF/Mutterschifffilm

Die Satire „Dave“ ist ein Segen fürs TV

Innovativ, jung und sehr, sehr lustig. Wir dürfen uns glücklich schätzen, dass „Dave“ es schlussendlich ins ORF-Programm geschafft hat.

Von Jan Hestmann

Wer ist eigentlich Dave? Wie viele junge Menschen dieser Tage träumt der von David Scheid gespielte Charakter davon, als Influencer so richtig ordentlich Cash Money und Fame abzugreifen. Allzu viel tut der aus reichem Elternhaus stammende Dave (sein Vater ist ein ganz Wichtiger beim ORF) dafür aber nicht unbedingt. Die meiste Zeit ist der tollpatschige Owezahrer betrunken oder bekifft - kompensiert wird der Alkohol- und Drogenkonsum nur durch billige Energydrinks.

Langer Weg ins ORF-Programm

Diesen Dienstag ist die vierte Folge von „Dave“ ausgestrahlt worden, neun gibt es insgesamt. Ins Leben gerufen hat die Serie Filmemacher und Produzent Jan Frankl und dessen Produktion Mutterschifffilm. Kennengelernt hat er David Scheid durch die Zusammenarbeit bei der „Tagespresse“-Fernsehsendung 2016, wo Scheid als Sidekick schon kleine Auftritte vor der Kamera hatte. Von da an gingen sie gemeinsame Wege, um etwas Eigenes zu entwickeln. Jan Frankl hat begonnen, eine Story rund um die Figur Dave zu schreiben. Und dann hat der ORF 2018 für „PopUp - Die.Nacht“ ein neues Programm gesucht. Frankl und Scheid waren zur Stelle. Mit den zwei Pilotfolgen zu „Dave“ konnten sie sich mit guten Zuschauerzahlen gegen zwei weitere neue Formatideen durchsetzen. Jetzt, 2020, ist endlich die ganze Staffel - die zwei Pilotfolgen sowie sieben neue Folgen - auf ORF1 zu sehen.

DAVE

Dave ist das Sinnbild einer verdorbenen Generation. Nichts leisten aber alles erreichen wollen. Doch alles was der ehemalige ORF-Moderator Dave angreift geht den Bach runter, während er selbst glaubt, kurz vor dem Durchbruch zu stehen. Der unbekannte Dokumentarfilmer Jan Nikolaus sieht hier seine Chance, ein bedeutendes Werk der Zeitgeschichte zu produzieren und porträtiert Daves Alltag.

100% wienerisch und g’scheit fucked up

„Dave“ ist eine Satire auf gängige Klischees des Influencer-Lifestyles. Mit chic hat das aber nichts zu tun, im Gegenteil, könnte der Protagonist doch nicht mehr am Sand sein, und dabei durch und durch wienerisch. Denn Dave bringt nicht nur den sogenannten Jugendsprech („Sheesh!“) glaubwürdig rüber, er versprüht auch eine ordentliche Portion Wiener Charme. Und das macht ihn, trotz bewusst zelebrierter Ekel-TV-Attitüde, zu einem sympathischen Titelhelden, den man mit Freude durch die Serie begleitet.

Influencer Dave

ORF/Mutterschifffilm

Sheesh!

Die Serie funktioniert nach dem Prinzip der Mockumentary, ist also scheinbar dokumentarisch. Jan Frankl führt Regie und auch die Kamera, mit der er Dave, oftmals verwackelt, durch dessen Alltag begleitet. Das wirkt wie Reality TV, ist aber geskriptet. Frankl hat eine Story als roten Faden durch die Staffel geschrieben. Die einzelnen Szenen orientieren sich daran, bieten dann aber jede Menge Platz für Improvisation, und die ist das Herzstück dieser Serie. Vor allem die Interaktionen zwischen Dave und Jan (Jan hinter der Kamera spricht Dave immer wieder direkt an und durchbricht damit regelmäßig die vierte Wand) bieten grandiose Situationskomik.

Dave ist zur Zeit immer am Dienstag um ca. 23.10 Uhr im Rahmen von DIE.NACHT in ORF 1 zu sehen.

Nicht alle Personen, die in „Dave“ vor der Kamera auftauchen, sind unbedingt Schauspieler*innen oder Laiendarsteller*innen. Auch Passant*innen, Verkäufer*innen etc. werden gelegentlich in die Szenerie eingebaut. In der großartigen zweite Folge besucht Dave mit seinem kleinen Filmteam die Hanfmesse in der Pyramide Vösendorf, wo sie sich schamlos unters Volk mischen. In solchen Szenen verschwimmen dann die Grenzen zwischen Scripted Series und Reality TV. Ein populäres Beispiel, das ganz ähnlich funktioniert, ist Sacha Baron Cohens „Borat“.

„Das ist kein Uhrturm, das ist der ur kleine Turm!“ -Dave in Graz

Während die ersten beiden Folgen der Serie noch in Daves Hometown Wien spielen, zeichnet sich ab Folge 3 ein größerer Roadtrip ab. Auf der Suche nach einem verloren gegangenen Koffer steuert Dave zunächst Graz an, das er gleich mal derbe disst („Das ist kein Uhrturm, das ist der ur kleine Turm“). Nachdem es im Grazer Stadtpark zu einem Übergriff kommt und er später einem Mitarbeiter des Fundbüros Weed vercheckt, geht die Reise weiter Richtung Bregenz, mit Zwischenstopp am Großglockner.

Instagram-Account als Teil der TV-Serie

Influencer Dave treffen wir aber nicht nur am Fernsehbildschirm auf ORF1. Er hat ganz stilecht auch einen realen Instagram-Account, den er regelmäßig mit kleinen Videos bespielt. Das Spannende daran ist, dass sein Instagram-Account nicht lediglich der Promotion seiner TV-Serie dient, sondern auch dramaturgisch in die Serie integriert ist. Wenn wir „Dave“ im TV dabei beobachten, wie er mit seinem Handy eine Instastory aufnimmt, dann landet dieses Video auch tatsächlich auf seinem Account. Das macht „Dave“ zu einem interessanten multimedialen Projekt, das bewusst die Grenzen des traditionellen Linearfernsehen überschreitet.

Mundl trifft auf Moneyboy - eine Altersfrage?

Aber auch der ganz eigene Brachialhumor und die dazugehörige Sprache von „Dave“ (Mundl trifft auf Moneyboy), dürfte so im ORF-Fernsehen noch nicht zuvor zu sehen gewesen sein. Und das stößt beim Publikum nicht ausschließlich auf Liebe, sondern auch auf - wohl vom Produktionsteam kalkulierte - Irritation. So schreibt etwa eine Fernsehkritikerin einer bekannten österreichischen Tageszeitung „Ist das nicht lustig, oder ist man zu alt?“ Darauf könnte man, wenn man wollte, zynisch antworten: „Zu alt.“ Allerdings glaube ich nicht, dass es sich hierbei um eine Altersfrage handelt, ob man „Dave“ nun mag oder nicht. Bei Humor spalten sich bekanntlich die Geister und „Dave“ ist da, um zu spalten. Ich jedenfalls finde die Serie und den dazugehörigen Instagram-Auftritt sehr, sehr lustig und hoffe, dass nach der ersten Staffel noch nicht Schluss ist.

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