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Katharina Schmalzhofer

Baits machen Pop mit hohem Rotzfaktor

Der FM4 Soundpark Act im Februar bringt treibende Drums, zerrende Gitarrensoli, ein permanent-gedrücktes Fuzzpedal und jede Menge gute Hooks: All das versammelt das Wiener Quartett Baits auf ihrem Debütalbum „Never Enough“.

Von Michaela Pichler

Im Wiener Untergrund hat man es schon munkeln gehört, auf den Bühnen wurden die Verstärker schon längst aufgedreht und auch ins World Wide Web wurden die ersten Kostproben als Köder verteilt: Die garagige Gitarrenband Baits hat sich zusammengefunden, um treibende Popsongs in die Welt zu schicken.

Angefangen hat eigentlich alles schon 2014, als Sängerin Sonja Maier noch Teil ihrer damaligen Haupt-Band Carousals war. Mit den Freunden Miguel und Javier Figuerola wird aber an einem neuen Projekt gearbeitet, der Grundstein für Baits wird gelegt. Nach den ersten Konzerten siedeln Sonjas Kollegen leider wieder nach Spanien, Christopher Herndler übernimmt an der Gitarre. Mehrere Drummer kommen und gehen, bis der Schlagzeuger und Produzent Gregor Halsmayer aka Fazo (auch als Deathdeathdeath bekannt) als fast letztes Puzzlestück Baits komplimentiert. Zuletzt wurde auch noch am Bass gewechselt, in der finalen Bandbesetzung spielt jetzt Julian Werl die tiefen Töne, den man auch schon von Land of Ooo oder seinem Soloprojekt Nichi Mlebom kennen sollte. Die Entstehungsgeschichte des Wiener Quartetts ist also ein klassisches Szene-Märchen, mit vielen Bandprojekten, Mitgliederwechseln und Findungen, bis der Schuh dann endlich passt. Als Happy End winkt nun die erste Langspiel-Platte „Never Enough“.

Baits

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Das Debütalbum „Never Enough“ von Baits ist am 29. Januar via Numavi Records erschienen.

Zwischen Selbstzweifel und Konsumzwang

Und weil gut Ding Weile braucht, haben Baits zwei ganze Jahre in ihr Debütalbum investiert, mit viel Schweiß, Liebe zum Detail, Hingabe und Anspruch. Auf ihrem sehr umtriebigen Instagram-Account vergleichen Baits den Albumprozess mit einer Schwangerschaft. „Es hat sich wirklich so angefühlt - man ist permanent damit beschäftigt, man versucht, Dinge noch besser zu machen und trägt das mit sich herum, es ist immer da“, meint Sonja Maier im Interview.

Ein Albumprozess wie eine Elefanten-Schwangerschaft. Denn die tragen ihren Nachwuchs auch stolze 22 Monate aus. Am Ende winkt auch bei Baits ein neues Baby und die Erlösung für alle perfektionistischen Bandmitglieder. Was der Kreißsaal für die werdenden Mütter im herkömmlichen Sinn ist, ist bei Baits das Studio LW Sonics in Wien, in dem Drummer Fazo arbeitet und das nicht nur für eine limitierte Aufnahmesession hergenommen werden kann. Mit ihm haben Baits auch ihren Produzenten des Vertrauens gefunden. Die Songs fürs Album entstehen ohne Zeitstress, als Band wird im Studio gespielt, geändert, geprobt und schlussendlich aufgenommen.

„Never Enough“ ist der große Titel hinter den zehn Songs am neuen Album. „Man ist sich selbst nie genug. Wir leben mit permanenten Selbstzweifeln - gerade für Künstler*innen. Diese Angst, bin ich überhaupt genug für das, was ich mache? Oder sind meine Vorstellungen von dem, was ich erreichen möchte, sowieso viel zu absurd?“, meint Sonja Maier über die Idee hinter dem Albumtitel, der genauso selbstreflektiert wie gesellschaftspolitisch ist. „Dieses Nie-Genug-Haben beschreibt uns als Gesellschaft in dieser Welt. Man hat nie genug von allem! Und will immer mehr.“ Das lässt sich auch auf das Songwriting umlegen. Denn wann ist ein Song schon fertig? Da kann im Zeitalter des Laptop-Producing immer noch mehr gehen. Diese Selbstzweifel begegnen uns auf „Never Enough“ auch schon im Opener. In „Coming After Me“ greifen die Ängste mit gierigen Händen um sich. Das treibende Tempo ergibt sich dabei quasi von selbst.

Einflussfaktor MTV

Genauso wie die Angst und der Zweifel, die einem trotz Fluchtinstinkt und Ausweichtaktik dann doch kalt erwischen, bringt einem die Melodie der Single um den Verstand. Und verbirgt dabei auch schon die ganz große Stärke der Band. „Verliebt in Hooklines“ steht vielversprechend in der Facebook-Bio, selbst beschreiben Baits ihren Sound auch dementsprechend: „Wir machen Pop mit besonders hohem Rotzfaktor“, schmunzelt Sonja Maier im Interview. Sozialisiert wurden die einzelnen Baits-Mitglieder in den 1990er Jahren, was man auch in ihrem Sound unschwer erkennen kann. „Das kommt dann einfach so aus uns raus, weil wir damit aufgewachsen sind“, erklärt Baits-Gitarrist Christopher Herndler. Im Fernseher lief „MTV Cribs“, „MTV Headbangers Ball“, die Viva-Charts und ein Kurt Cobain während der legendären MTV-Unplugged Session.

Baits picken sich die Sound-Rosinen aus ihrer Sozialisation, mischen das mit kalifornischen Surf-Punk á la Wavves und Fidlar, treten ordentlich aufs Fuzzpedal und kreieren einen ausgefransten, energetischen Garagepop. Sonja Maiers Stimme trägt zu den Gitarrensoli und den druckvollen Drums das Übrige bei, den letzten Rotzfaktor im Baits’schen Universum sozusagen. Man möchte sich den Playstation-Controller schnappen und die Welt des Tony Hawk durchskaten, sich seine besten Buddies einpacken und eine Houseparty sprengen, im Garten spielen dann Baits, in der Abendluft riecht es nach Bier und einer Prise Freiheit.

Der Befreiungsschlag kommt dann mit der neuesten Single: „Liberate You“ klingt auf den ersten Blick wie eine kollektive Aufforderung, ein Schlachtruf zum Aufbegehren. Doch die Fesseln der gesellschaftlichen Normen und Rollen können nur selbst gesprengt werden, wie Sonja Maier erklärt: „Es geht für mich in dem Song um Selbstbefreiung von Konditionierungen, Ideen, Dingen, die uns auferlegt werden von ganz klein auf bis eigentlich immer! Es geht darum, dass man sich selbst dessen bewusst wird und sich danach versucht, selbst frei zu kämpfen.“

Während die frohe Kunde der Selbsterkenntnis und großen Freiheit im Refrain vermittelt wird, trägt das E-Gitarrenriff zur Erfolgsformel der Band bei. Die Hookline sitzt wie angegossen und solange es Baits Spaß macht, dürfen wir uns darauf auch in Zukunft verlassen. „Das Wichtigste für uns an Musik ist, dass irgendetwas bleibt. Und tatsächlich sind das Hooklines, die hängen bleiben. Natürlich gibt es da das Argument, dass man sich irgendwann dran satt hört, aber solange es uns Spaß macht, coole Lines zu schreiben, solange werden wir das machen.“

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