„Der wichtigste Abend“: Buntspecht live in der Wiener Arena

Nach zweieinhalb Jahren bespielten Buntspecht gestern wieder die ausverkaufte Arena in Wien. Ein Heimspiel voller Glückseligkeit.

Von Alica Ouschan

Menschengrüppchen strömen von der U-Bahn Station in Richtung Arena Areal. Die Winterjacken werden abgegeben, das Bier getrunken, noch eine Tschick geraucht. Zwei junge Frauen sprechen miteinander: „Ich war noch nie hier, das ist ja eine mega coole Location!“, ein anderer junger Besucher meint, dies sei sein erstes großes Konzert überhaupt. Die Luft schwirrt voller angespannter Erwartung und Vorfreude, von drinnen klingen schon die ersten Töne des Support Acts nach draußen.

Alles deutet darauf hin, dass dies ein unvergesslicher Abend wird. Vor der Bühne tummeln sich bereits die ersten Fans und springen begeistert mit. Kein Wunder, denn als Ersatz für die Wiener Nachwuchpunker Leftovers, die ganz spontan aufgrund von ehschowissen als Support ausgefallen sind, haben sich die Spechte einen formidablen Ersatz gecheckt. Der Neue Deutsche Welle-Krachmacher Saló aus Graz steht alleine auf der Bühne und bietet mit bassig-ballernden Elektro-Wave und beeindruckend energiegeladenen Tanzmoves eine One-Man-Show, die sich gewaschen hat.

Von der One-Man-Show zum sechsköpfigen Soundmonster

Das Publikum singt die eingängigen Zeilen direkt mit - vor allem der aktuelle Hit von Saló, „Glock17“ erntet viel Begeisterung. Die ausverkaufte Arena bereits vor Beginn des Main Acts derart mit Spannung aufzuladen, das ist ein Kunststück, vor dem man ruhig mal den Hut ziehen kann. Als es dann schließlich endlich dunkel wird und der sechsköpfige Buntspecht die Bühne betritt, gibt es kein Halten mehr.

Bereits ab dem ersten Song sprudelt die Begeisterung, die Menge singt und springt. „Das ist der wichtigste Abend, den wir je hatten“, heißt es in der ersten Zeile. Und auch, wenn die Band damit mittlerweile jede ihrer Shows eröffnet, könnte diesmal kaum mehr Wahres drin stecken. In den November 2019, in ein anderes Jahrzehnt, in eine Zeit, die sich so fern anfühlt, dahin katapultieren Buntspecht uns zurück. Damals spielten sie ihr erstes großes ausverkauftes Konzert in ihrer Heimatstadt Wien, hier in der Arena. Die Halle, der Enthusiasmus und die Band sind gleichgeblieben - der Bewegungsdrang und das Energielevel von Band und Fans sind seit dem letzten Mal aber noch einmal deutlich gestiegen.

Von altem Schinken, neuen Rezepten und wärmender Bolognese

„Wir haben so lange auf diesen Abend gewartet“, sagt Sänger Lukas. „Wir haben uns gestritten, welche Songs wir heute spielen - dann haben wir alle unsere Anwälte angerufen und die haben das ausdiskutiert!“ - das Ergebnis kann sich sehen lassen. Buntspecht starten mit einigen „alten Schinken“, wie Lukas sie nennt, und pleasen die Crowd mit Hits wie „Der Rote Pfau“ und „Brennnesseln“, um die Stimmung anzufachen.

Wie groß diese Band, die vor nicht allzu langer Zeit noch als Geheimtipp galt, mittlerweile geworden ist, das hat sich letzten Sommer offenbart, als die Spechte als Headliner am Wiener Popfest auf der Open Air Bühne in der Arena gespielt haben, oder wenig später am Heldenplatz auf einer Fridays For Future Demo vor über 20.000 begeisterten jungen Menschen. Aktuell wird sich außerdem entscheiden, ob sich Buntspecht bei ihrer zweiten Top 5 Nominierung beim Rennen um den FM4 Amadeus Award, die begehrte Trophäe sichern konnten.

Denn immerhin hat die Band vor knapp einem Jahr ihr drittes und bisher bestes Album „Spring Bevor Du Fällst“ veröffentlicht. Auch davon wird reichlich aufgetischt: „Bolognese“ und tanzende „Zehn Zehen“, die Menge springt, ein einsamer Crowdsurfer wird gefangen, bevor er fällt. Sogar einen brandneuen, sehr bewegenden Song gibt es - denn dieser Vogel traut sich, auch mal ruhigere Töne zu zwitschern. Auch wenn das Tanzwütigkeitslevel des Publikums an der Stelle nicht ganz auf einer Wellenlänge mit der Band scheint. Natürlich dürfen dann aber auch die ganz großen Hitsongs - oder wie die Band sie selbst liebevoll nennt - „die Schlager“ nicht fehlen.

Genau darauf haben die Fans gewartet. Bei „Unter den Masken“ übertönt das Publikum beinahe mit seinen Stimmen den gewaltigen Soundwall der Band. In fünf Jahren oder so, wenn wir fast nirgends mehr Masken tragen müssen, ja vielleicht wird das dann ja ein Gag, dass alle bei diesem Song plötzlich eine Maske rausziehen und aufsetzen - oder auch nicht. Diese unfreiwillige neue Bedeutung, die dieser Song mittlerweile einfach irgendwie innehat, ist während des Konzerts aber kaum spürbar.

Das gemeinsame Tanzen und Singen fühlt sich fast schon wieder wie die Normalität an, die wir so schmerzlich vermissen. Auch wenn die ungeübte Mitschrei-Stimme schneller versagt und mit der Energie hausgehalten werden muss, kratzen die Fans gemeinsam mit Buntspecht die letzten Reste zusammen und machen daraus ein Festmahl. „Nehmt alles was ich hab!“ - schreien alle gemeinsam Raus. Danke, für dieses schöne Spiel, auch wenn es natürlich viel zu kurz war!

YES WE CARE @Heldenplatz Wien

Wer keine Karten für das ausverkaufte Buntspecht Konzert in der Arena Wien ergattern konnte, hat diesen Sonntag noch einmal die Möglichkeit, die Band live zu erleben. Buntspecht spielen am Sonntag, den 27. März 2022 (u.A. mit Acts wie Kerosin95, Cari Cari oder Wanda) unter dem Motto „YES WE CARE“ ein Benefizkonzert am Wiener Heldenplatz. Der Eintritt ist frei.