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Subkultur meets Nachhaltigkeit im LAMES/Sonnenpark St. Pölten

Florian Wörgötter

Subkultur meets Nachhaltigkeit im LAMES/Sonnenpark St. Pölten

Der LAMES/Sonnenpark in St. Pölten versteht sich als Begegnungszone von Kunst, Kultur und Natur. Andreas Fränzl vom Künstler*innenkollektiv LAMES erklärt, wie dort Subkultur und Nachhaltigkeit ineinander aufgehen, inwiefern das 15. Parque del Sol-Festival die Klimakrise künstlerisch aufarbeiten wird und warum auch ein DIY-Zentrum einmal professionell renoviert werden muss.

Von Florian Wörgötter

Im Tourismusmarketing bewirbt man sehnsüchtig Logenplätze oder Kraftorte. Kulturfreund*innen aus St. Pölten finden ihr Sonnenplatzerl im LAMES/Sonnenpark. Im Süden der Landeshauptstadt Niederösterreichs haben sich Kunst und Kultur fünf Hektar sattes Grünland erobert.

Seit über 20 Jahren pulsieren dort Partys und Performances, Ausstellungen, Workshops und Diskursformate sowie jährlich das Festival und Symposium Parque del Sol, wo schon Musiker*innen wie Patrick Pulsinger, Dorian Concept, Mira Lu Kovacs und Alicia Edelweiss aufgetreten sind.

Die zentralen DIY-Häuser sind in eine weit verzweigte Grünfläche am Ufer des Mühlbachs eingebettet. In deren Wald und Wiesen könnte man sich durchaus verlaufen, nachdem die Sonne untergegangen ist. Doch meist markieren kunstvolle Visuals und ein tiefer Bass den Weg zurück ins Geschehen.

Subkultur meets Nachhaltigkeit im LAMES/Sonnenpark St. Pölten

Florian Wörgötter

Bei Tageslicht finden sich zwischen Graffiti-Wänden und Gemeinschaftsgärten ein mobiles Stadtlabor und ein Klimaforschungslabor, das Schulkindern spielerisch Klima- und Energiewissen vermitteln möchte.

Betrieben wird der Verein LAMES/Sonnenpark von einer Gruppe von Menschen, die „am Puls der Zeit agierend die Gesellschaft mit künstlerischen Mitteln voranbringen wollen“. Andreas Fränzl, Frontmann der Beatbox-Combo Bauchklang, ist einer von ihnen. Auch nach 20 Jahren Engagement leuchten seine Augen noch hinter dem Brillenglas, wenn er vom selbstbestimmten Bürger*innenprojekt spricht, dem Vernetzungsort der Freien Szene, vom Zukunftsort der freien Wissensvermittlung, der Partizipation und der Forschung, des Sharings und der niederschwelligen Kunstformate.

Subkultur meets Nachhaltigkeit im LAMES/Sonnenpark St. Pölten

Florian Wörgötter

Von der Brache zum Kulturzentrum

Geboren wurde der Spirit des Sonnenparks im Jahr 1995 mit der Gründung des Künstler*innenkollektivs LAMES, dem auch Fränzl und Bauchklang angehörten. 1999 übersiedelte LAMES nach der Vereinsgründung in den damals noch brachliegenden Sonnenpark am Spratzerner Kirchenweg, um hier zu proben, Platten aufzunehmen und Veranstaltungen zu organisieren.

Zuvor war das Gelände von einer Papierfabrik genutzt worden; während des Jugoslawienkrieges hatten 250 geflüchtete Menschen aus Bosnien temporär hier gelebt. Eines der Häuser könnte auch nacherzählen, was hier passierte, nachdem der erste Weltkrieg geendet hatte.

Subkultur meets Nachhaltigkeit im LAMES/Sonnenpark St. Pölten

Florian Wörgötter

„Wir haben uns schnell in die alten Häuser und das Grundstück verliebt. Daher haben wir sie geflickt und hergerichtet und die riesengroße Fläche des Parks nach und nach entdeckt“, erinnert sich Fränzl. Gemeinsam mit vielen ehrenamtlich helfenden Händen gestalteten sie den Park zum Naherholungsgebiet und verdichteten das Kulturprogramm. Dennoch sollte der Sonnenpark laut Vertrag mit einer Genossenschaft verbaut werden.

„Der Rückhalt unter der Bevölkerung wurde immer größer. Letztlich schafften wir es mit vereinten Kräften nach 16 Jahren, dass das Grundstück nicht verbaut wurde und wir es offiziell pachten durften“, sagt Fränzl stolz und spricht vom „kleinen Wunder“, dass ein zivilgesellschaftlich gewachsenes Projekt gegen eine mächtige Genossenschaft doch eine Chance haben könne. „Es ist uns gelungen, eine Brache mit Naturraum für Kunst und Kultur und als Erholungs- und Forschungsraum zu sichern anstatt die nächste Fläche zu versiegeln“. Der Pachtvertrag soll noch die nächsten fünf Jahre laufen.

Subkultur meets Nachhaltigkeit

Heute sieht Fränzl im LAMES/Sonnenpark einen Zukunftsort, an dem Subkultur und Nachhaltigkeit sich gegenseitig beeinflussen. Doch wie können der in die Jahre gekommene Begriff der Subkultur und das Modewort der Nachhaltigkeit auch ineinander aufgehen, ohne bloß nebeneinander zu existieren?

Subkultur meets Nachhaltigkeit im LAMES/Sonnenpark St. Pölten

Florian Wörgötter

„Alternative Kultur abseits des Mainstreams hat Nachhaltigkeit ohnehin im Gedankengut – sei es durch die DIY-Haltung oder eine gelebte Re-Use-Kultur“, meint Fränzl. Was mitunter prekären Verhältnissen geschuldet ist, sei auch Teil der Einstellung geworden.

Der inflationär verwendete Begriff „Nachhaltigkeit“ brauche dringend eine neue „Aufladung“, die mit Kunst und Kultur durchaus gelingen könne, meint Fränzl. Die „Skills“ und Zugänge der freien Szene seien wertvoll, um neue Vermittlungsformate zu entwickeln, um Menschen für Nachhaltigkeit und Ökologie zu sensibilisieren oder aktivieren zu können.

Parque del Sol 2022

Auch das 15. Parque del Sol-Festival stellt sich von 1. bis 7. August 2022 den Zusammenhängen von Kunst und (Klima-)Krise. Im Rahmen des interdisziplinären Symposiums lauten die Fragen: Welche Auswirkungen haben die Pandemie und der Klimawandel und die dadurch hervorgerufenen multiplen Krisen auf unsere Gesellschaft? Welche Rolle können Kunst, (Sub-)Kultur sowie Freiräume wie der Sonnenpark dabei spielen?

Subkultur meets Nachhaltigkeit im LAMES/Sonnenpark St. Pölten

Florian Wörgötter

Diverse Künstler*innen werden sich in Diskursformaten wie der „Free University“ und ihren künstlerischen Arbeiten mit diesen großen Fragen beschäftigen. Unter ihnen: Stefan Voglsinger und Maria Koller (Setzkasten Wien), Andrej Julher, Alina Sterle, Christian Florin Anghel, Lia Quirina, Thomas Nagl und Lilian Wieser. Eingeladen sind auch Artists in Residence aus den europäischen Kulturhauptstädten Novi Sad, Serbien (2022) und Timişoara, Rumänien (2023).

Das Ergebnis des kooperativen, künstlerischen Prozesses wird im Sonnenpark am 5. und 6. August in Performances, Ausstellungen und Visuals präsentiert. Das musikalische Programm auf der Hofbühne wird gestaltet von österreichischen Acts wie Vereter, DeathDeathDeath, Zinn, The Zew, Velvet und Soveles.

Renovierung mit Crowdfunding

Damit der LAMES/Sonnenpark auch künftig dem Beat der Zeit standhält, müssen die in die Jahre gekommenen Gebäude des Sonnenparks renoviert werden. In Kooperation mit dem design.build-Lehrgang der TU Wien wurden bereits die Pläne für die Renovierung erstellt. Im Ausstellungsraum und dem Clubraum haben die Studierenden bereits handangelegt und Wände durchbrochen, Fenster renoviert, geschweißt und gestemmt.

Im LAMES/Sonnenpark hatten schon einige Musiker*innen ihre ersten Bühnenschritte gemacht. Vor über zehn Jahren spielte auch der St. Pöltener Produzent und Vokalist Wandl sein erstes Konzert im „Schwarzen Raum“. In der Reportagereihe FM4 Im Viertel ist er auf seine erste Bühne zurückgekehrt und performt in Glitzerstiefeln auf der Baustelle seinen neuen Song „Fakin’ it“.

So manche Förderung ist bereits gesichert, doch die Eigenmittel des Sonnenparks müssen noch steigen. Daher soll eine Crowdfunding-Kampagne weiterhelfen, die noch bis zum 12. Juli auf Startnext läuft. Das Ziel sei es, den Sonnenpark in einen geordneten Ganzjahresbetrieb zu überführen. In getrockneten und beheizbaren Räumen sollen künftig auch im Winter Ausstellungen stattfinden. Auch Proberäume, Werkstätten, Gemeinschaftsküche und Artist-in-Residence-Programme sollen ausgebaut werden.

Subkultur meets Nachhaltigkeit im LAMES/Sonnenpark St. Pölten

Florian Wörgötter

Der angestrebte Zeitpunkt der Fertigstellung: das Kulturschwerpunktjahr 2024, in dem St. Pölten eigentlich Europäische Kulturhauptstadt werden wollte. Obwohl der kaiserliche Sommerfischeort Bad Ischl das Rennen gemacht hat, hat sich St. Pölten mit einem ambitionierten Kunst- und Kulturfestival eine große Perspektive eröffnet – der Tangente St. Pölten, dem Festival für Gegenwartskultur von 30. April bis 6. Oktober 2024.

Der LAMES/Sonnenpark sieht sich im Rahmen der Tangente als gesetzter Spielort, wenn es um Diskursformate, Artist in Residencies und Clubkultur geht. „Die Sehnsucht der Menschen nach Orten mit Geist und Glaubwürdigkeit ist hoch. Auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sind solche Orte wichtiger als sich bisher in der Vergabe von Förderungen ausdrückt“, ist Fränzl überzeugt. „Wir wollen den Sonnenpark weiterentwickeln, die internationale Ebene ausbauen und als Zukunftslabor und Vernetzungsort noch bekannter werden.“

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