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Willow "Coping Mechanism"

Dana Trippe

„Coping Mechanism“ ist Willows Pop-Antwort auf weißen, alten Männer-Metal

Letztes Jahr hat Willow noch feierlich den „Summer of Emo“ eingeläutet, mit ihrem neuen Album „Coping Mechanism“ geht die 21-jährige Musikerin noch einen Schritt weiter in Sachen härterem Sound. Natürlich aber nicht ohne einem gewissen Pop-Appeal.

von Michaela Pichler

Ihre Karriere hat als Kinder-Star gestartet, mittlerweile gehen ihre Songs haufenweise auf TikTok viral, im Internet und in der analogen Welt wird sie als bisexuelle, polyamoröse Stimme einer Generation gefeiert: Willow Smith hat sich schon früh von den Ketten ihrer prominenten Eltern losgerissen und ist musikalisch ihren eigenen Weg gegangen. Am Freitag hat Willow nun ihr fünftes Album „Coping Mechanism“ veröffentlicht und präsentiert sich darauf eigenständiger und selbstbewusster denn je.

Choose your fighter

Lachen, Weinen, Drogen oder Alkohol, Sport oder Schlaf, People-Pleasing oder einfach nur Ignoranz - all diese Dinge sind gängige Coping-Strategien und werden bewusst oder unbewusst angewendet, um mit Stress oder überfordernden Gefühlen umzugehen. All das weiß Willow Smith natürlich. Sie hat sich ausgiebig mit dem Thema mentale Gesundheit und möglichen Bewältigungsstrategien in Krisenzeiten beschäftigt und nun als Willow ein ganzes Album darübergeschrieben.

Die 21-jährige Willow erforscht auf ihrem fünften Album „Coping Mechanism“ ihre Psyche und ihre Verhaltensmuster, sie sucht bei sich selbst die Schuld und fordert im Gegenzug mehr Selbstakzeptanz; sie erklärt uns, dass auch noch andere Umstände außer romantische Liebesbeziehungen für gebrochene Herzen sorgen können und feiert zwischendurch dann auch noch gleich die weibliche Sexualität und das Recht auf Selbstbestimmung – wie in der Single „Hover Like A Goddess“, zum Beispiel. Auf Social Media postete die Kalifornierin dazu: „Every woman deserves to be worshiped. This song is an ode to the divine goddess within us all.“ Word.

Nach Punk-Rock kommt Metal

Vergangenes Jahr hat Willow mit dem Album „Lately I Feel Everything“ die Rückkehr der Punk-Rock-Ära eingeläutet. Die neue Platte geht aber noch einen Schritt weiter und bedient sich in manchen Momenten sogar melodiösem Metal und Hardcore. Darüber natürlich aber immer auch eine gute Portion Pop!

In Interviews nennt sie Bands wie Lamb of God, Deftones oder Crowbar als wichtige Inspiration. Das seien zwar alles alte, weiße Männerbands, meint Willow – umso eher steht nun die Zeit auf Veränderung, auch in Genres wie diesem.

Willow "Coping Mechanism" Cover

Willow

„Coping Mechanism“ ist via MSFTS Music, Polydor und Roc Nation erschienen.

Das ganze Gefühlsspektrum eines Menschen zeigt sich in Willows Stimme, die mühelos zwischen polierten Pop-Hooks, Screamo oder Chorpassagen à la Queen hin und her switscht. Dafür hat Willow sogar extra Gesangsunterricht genommen. Erste Überlegungen zu diesem Album hatte Willow bereits 2018 im Kopf, doch „Coping Mechanism“ musste sich als Idee noch eine Weile weiterspinnen, die Musikerin noch die ein oder andere Weiterentwicklung erleben. Stimmlich ist „Coping Mechanism“ ihr herausragendstes Album. Der Song „curious/furious“ ist ein gutes Exempel dafür.

Mehr als eine halbe Stunde braucht Willow nicht

Willow ist mittlerweile Meisterin im prägnantem Songwriting, mehr als 2:30 braucht die Musikerin nicht, um auf den Punkt zu kommen, ein E-Gitarrensolo einzubauen und in den Lyrics sich und die ganze Welt anzuprangern. Das Endergebnis hat eine Gesamtlänge von nicht mal 30 Minuten. Unterstützung hatte Willow im Studio von einem ihrer Musik-Freunde: Chris Greatti, der schon viel mit Yungblud, Poppy, Blink182 oder Pussy Riot zusammengearbeitet hat, hat auf „Coping Mechanism“ die Regler als Producer bedient.

Willows letztes Album „ Lately I Feel Everything” ist nur so übergegangen vor Feature-Gästen wie Avril Lavigne, Cherry Glazer oder Travis Barker. Auf der neuen Platte hat Willow nur für einen Gastauftritt Platz gelassen und der kommt vom nicht-binären Avant-Pop-Artist Yves Tumor. „Perfectly Not Close To Me“ ist ein fiebrig-schöner Alptraum, in dem Willow sich ein bisschen die Seele aus der Brust schreit. Am Ende bricht sogar die ganze Tonspur weg.

Yves Tumor is an amazing inspiration and artist that I’ve looked up to for many years! And working with Yves and Chris was one of the most beautiful experiences of my life, and they really, really helped me create my vision in the best way possible.“ Wenn Willow in einem kurzen Reel für Spotify über die Vision am Album spricht, dann meint sie das Einfangen und Offenlegen ihrer dunkelsten Gedanken.

Nicht nur einmal spricht Willow in ihren Texten über das aus dem Leben Verschwinden, über die Vorstellung, nicht mehr weiter zu existieren. „Coping Mechanism“ ist ein Hinschauen auf diese blinden Flecken, um sie irgendwann dann vielleicht doch hinter sich zu lassen. Wenn dabei dann auch noch ein Album des Jahres rauskommt, umso besser.

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