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Der Song zum Sonntag: MJ Lenderman - „Knockin“

Merry MJ Lenderman, y’all.

Von Lisa Schneider

Manchmal ist es ganz einfach. MJ Lenderman schreibt Lieder für Menschen, die gerne Lieder hören. Für die, die vielleicht-wahrscheinlich gerade im Auto sitzen, am Weg, einen Weihnachtsbaum abzuholen. Oder für die, die im Auto sitzen und vor dem ganzen Wirrwarr flüchten. Denkt an alte, leicht angeknabberte, vergilbte Postkarten, wenn die singen könnten, würden sie klingen wie MJ-Lenderman-Songs. Hinter jeder steckt eine Geschichte, manchmal ist sie ganz klein, und immer ist sie riesengroß.

Seit 2022 taucht MJ Lenderman in gut kuratierten Playlists auf und in Plattenregalen von Menschen, die ein bisschen mehr wissen als andere. Damals erscheint sein Album „Boat Songs“. MJ Lenderman kommt aus Asheville, North Carolina, spielt in der Band Wednesday, aber eben auch solo. Und das dann aber eh nie allein. Legend has it, dass er so ein Menschen-um-sich-versammel-Mensch ist, es stehen deshalb immer zu viele Leute mit ihm auf der Bühne. Nachhause schicken möchte er niemanden, schon gar nicht die, die mit ihm spielen wollen.

  • Alle Songs zum Sonntag auf FM4
  • Auch die geschätzten Wissenschafts- und Popjournalist:innen Thomas Kramar und Heide Rampetzreiter machen sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song ihre Gedanken.

MJ Lenderman hat vor wenigen Wochen ein sehr gutes Livealbum veröffentlicht, und noch ein paar Wochen davor sein Lied „Knockin“. Ohne Apostroph und schon mit ein bisschen Dylan-Flavour, und dabei wird in der ersten Songzeile gleich mal jemand ganz anderer zitiert. John Daly, eh auch Musiker und eigentlich Golf-Legende, tritt immer wieder gern mal auf und spielt dann die Dylan-Version, sanft und sad und mit kleinem Horizontglitzern hintenraus. MJ Lenderman ist kein Typ für straighte Coversongs, er muss das alles in die eigenen Wege leiten.

„Loneliness is simple / not much else is“: MJ Lenderman würde euch sagen, dass Einsamkeit halt auch nur die Zeit ist, die man mit der Welt verbringt. Dem Gegenüber darf man eh verraten, wie der Gefühlsspiegel grad so aussieht, nur erwarten sollte man im Gegenzug lieber nix: „You’re all I need, babe / yeah, you’ve heard that one before“. Allein sein in Gedanken, vielleicht zum ersten Mal im Leben, und dann allein sein im echten Leben und es geht wieder von vorne los.

Stimme raufschrauben dann, wenn’s um alles geht, ums Anklopfen da oben - und hierzu gibt’s den schönsten Youtube-Kommentar: „Let the lord take me, I’m ready“. Auch das nochmal ein Einsamkeits-Seitenhieb, wir haben alle im Kindergarten gelernt, dass uns am Ende niemand die Hand hält. Dass die Musik von MJ Lenderman Menschen zu leicht zynischen, aber nicht weniger wahrheitsgeladenen Postings auffordert, sagt zusätzlich nicht alles, aber schon viel. Das ist kein Dylan-Trauma, das ist Musik, zu der man die Bücher von John Cheever liest und sich dann fragt, wieso das eigene Leben noch nicht niedergekritzelt worden ist. Es ist ja genauso belanglos wie jedes andere auch.

Wieder also zurück zum Anfang, zum Musikhören. Beim Musikhören, da wären wir da, wo die amerikanische Popkultur ihre Spitze erreicht. Buch, Film, Lieder, wurscht: die großen Gefühle in den Banalitätenalltag hinausrufen, nicht in der Hoffnung, dass es was bringt, aber schon ein bisschen mit dem Hintergedanken, dass Geschichtenteilen den meisten schon immer ein bisschen geholfen hat.

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