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End of the f+++ing world

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„The End of the F***ing World 2“: Es ist kompliziert

Die erste Staffel war ein kleines Wunder mit einem perfekten Schluss. Doch es muss weitergehen. Das stellt nicht nur die Serienschreiber*innen vor eine große Herausforderung, sondern macht auch den Protagonist*innen in Staffel 2 sichtlich zu schaffen. Ein Fortsetzung als Epilog, der die Leichtigkeit von Staffel 1 verloren hat, aber nicht das Herz. (Text enthält Spoiler.)

Von Jan Hestmann

„The End of the F***ing World“ ist zurück. Zwei Jahre mussten die Fans auf die Fortsetzung der Erfolgsserie warten. Der furiose Roadtrip der beiden getriebenen 17-Jährigen Alyssa und James hatte einen so großen Hype ausgelöst, dass schließlich umdisponiert werden musste. Ursprünglich war die britische Serie ja für nur eine Staffel konzipiert. „The End of the F***ing World“ basiert auf einem gleichnamigen Comicbuch von US-Autor Charles S. Forsman. Dessen Geschichte wurde mit der ersten Staffel der Mini-Serie zu Ende erzählt.

Da treffen die beiden Teenager Alyssa und James aufeinander. Sie trägt jede Menge Wut in sich. Er fühlt hingegen gar nichts, hält sich selbst gar für einen Psychopathen, der gern mal jemanden töten würde - Alyssa zum Beispiel. Gemeinsam brennen sie durch, lassen Alltag und Heimatkaff hinter sich, verlieben sich. In Bonnie-und-Clyde-Manier machen sie die Gegend unsicher und tappen von einer Eskalation in die nächste. Am Ende läuft James in einem fulminanten Showdown, auf der Flucht vor der Polizei, über einen Sandstrand. Das Bild wird schwarz, bevor der Schuss ertönt.

It was a fitting end.
A perfect tragedy.
A doomed love story.
And then I didn’t die.

Es wäre das perfekte Ende dieser bittersüßen Tragödie gewesen. Doch es kommt, wie es kommen muss, wenn Serien ein gewisses Maß an Erfolg haben. Eine Fortsetzung muss her, wider die Weisheit, dass man doch lieber aufhören sollte, wenn es am schönsten ist.

Doch in der ersten Folge von Staffel 2 erfährt man über das Schicksal von James und Alyssa erstmal gar nichts. Stattdessen wird ein neuer Charakter eingeführt, Bonnie. Und die hat auch so einiges auf dem Kerbholz. Nicht zuletzt, so erfährt man in einer langen Rückblende, ist sie die Liebhaberin des Mannes, den James in Staffel 1 getötet hat. Und sie fordert Rache. Die Rahmenhandlung für die zweite Staffel ist damit aufgestellt.

End of the f+++ing world

Netflix

James, Alyssa, Bonnie

Tatsächlich dient diese Plotline nur als grobes Gerüst. Denn schon bald ist klar, worum sich auch in der zweiten Staffel alles dreht, nämlich um die Beziehung zwischen James, der überlebt hat, wenn auch mit bleibenden Schäden, und Alyssa. Von dieser und nur dieser Chemie lebt auch Staffel 2. Da wird schnell klar, dass es nie eine Option hätte sein können, die Serie ohne James fortzusetzen, um ihm damit einen heldenhaften Tod zu schenken.

Diese Beziehung hat sich aber in Staffel 2 grundlegend verändert. Man muss den Serienschreiber*innen zugutehalten, dass sie bewusst drauf verzichtet haben, einfach eine Neuauflage eines großen James-and-Alyssa-Abenteuers zu starten. Stattdessen ist die Fortsetzung der Mini-Serie eine Aufarbeitung des bisher Geschehenen geworden, die Nachwehen des Roadtrips. Man kann sie als Art langen Epilog lesen, der sich an den großen Momenten der ersten Staffel nährt.

Die Schwierigkeit, eine als Stand Alone konzipierte Staffel fortsetzen zu müssen, überträgt „The End of the F***ing World 2“ direkt auf ihre Protagonist*innen. James stirbt nicht und das macht ihm am meisten zu schaffen, denn was bleibt, ist ein Vakuum, eine seltsame Handlungsunfähigkeit, und Alyssa in weiter Ferne.

Auf den Punkt gebracht wird die verfahrere Situation, wenn Alyssa und James schließlich nebeneinander im Auto sitzen, vermeintlich wieder vereint, aber plötzlich nichts mehr zueinander sagen können und dann auch noch dieser verflucht belanglose Kartoffel-Song im Autoradio ertönt. Eine fast unerträgliche Szene ist das, die uns mit aller Kraft sagen will: es ist gelaufen.

Wenn Staffel 1 von „The End of the F***ing World“ also alles am Frisch-verliebt-Sein verkörpert hat, die Schmetterlinge im Bauch, das Aufgeregt-Sein, das Mauern-niederreißen-Wollen, ja dann ist Staffel 2 der ganze Trennungsschmerz, der dem folgt, die furchtbare Leere und das Erreichen von emotionalen und körperlichen Grenzen.

I don’t really feel anything anymore. It’s good not feeling; it’s like a superpower.

Alles an dieser Fortsetzung fühlt sich zunächst irgendwie falsch, zutiefst unangenehm an. Und man fragt sich permanent: Muss das denn überhaupt sein? Wäre es nicht besser gewesen, James zum allerletzten Mal an diesem einen Strand gesehen zu haben?

Gleichzeitig trägt Staffel 2 einen beißenden Realismus in sich. Und auch wenn die Magie der ersten Staffel zu einem großen Teil verschwunden zu sein scheint und Alyssa und James den neuen Umständen geschuldet an Strahlkraft eingebüßt haben, so ist es immer noch faszinierend und nervenaufreibend den beiden zu folgen. Und immer noch rutscht dabei das ein oder andere Mal das Herz in die Hose.

Nach wie vor ist „The End of the F***ing World“ eine wilde Gefühlsachterbahn, wenn auch auf eine ganz andere Art als die erste Staffel. Nüchtern betrachtet hat es diese zweite Staffel zwar nicht unbedingt gebraucht, Spaß und Gänsehaut bereitet sie dennoch.

Nicht zuletzt auch wieder dank des wunderbaren Soundtracks, für den einmal öfter Blur-Mann Graham Coxon zuständig war. Einer seiner Songs aus dem Soundtrack war zuletzt unser Song zum Sonntag - „She Knows“.

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