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Alles über das Corona Virus: Frag die Science Busters! - Teil 2

Alles über das Corona Virus und den ganzen Rest.

Das Echo auf die erste Ausgabe dieser Fragestunde auf FM4 war enorm, höchste Zeit für eine Fortsetzung. Dringende Fragen werden beantwortet, wissenschaftliche Erkenntnisse unterhaltsam vermittelt. Martin Puntigam steht diesmal mit dem Molekularbiologen Martin Moder und der Verhaltensbiologin Elisabeth Oberzaucher allen Menschen mit Fragen zur Verfügung.

Martin Puntigam: Jana hat uns schon vor der Sendung diese Frage gestellt: Wenn meine Katze viel in der Nachbarschaft unterwegs ist, und da bei allen ein und aus geht, muss ich sie desinfizieren? Und ganz ähnliche Fragen sind auch rund um Hunde gekommen. Wie ist das mit Haustieren? Das Virus überlebt ja eine gewisse Zeit auf Oberflächen - das haben wir ja schon besprochen. Eine Katze ist ja quasi auch eine Oberfläche. Was passiert denn mit der Katze, wenn sie von jemandem gestreichelt worden ist, der vielleicht das Virus trägt?

Martin Moder: Bitte nicht die Katze desinfizieren! Die ganze Sache ist mit einem Fall von einem Hund losgegangen, der für viel Verwirrung gesorgt hat. An diesem Hund hat man menschliche Corona-Viren nachgewiesen. Und dann gab es große Sorge: Können Tiere sich vielleicht sogar anstecken und das Virus dann weiter verbreiten? Das hat sich aber nicht bestätigt. Die Menge der Viren auf dem Hund war so klein, dass der mit Sicherheit nicht selbst infiziert war. Auf ihm war, wie eben auf jeder anderen Oberfläche die mit einem Infizierten in Kontakt gekommen ist, etwas nachweisbar. Er hat die Viren also einfach rumgetragen. Und da muss man sagen, da verhält sich ein Tier wirklich nicht anders als jede andere Oberfläche auch. Es ist ja nicht so, dass schon ein einzelnes Virus ausreicht um uns anzustecken. Das braucht eine gewisse „Virenlast“, also eine gewisse Anzahl an Viren. Und dass da genug von einem Haustier - oder einer anderen Oberfläche - übertragen wird, ist eigentlich äußerst unwahrscheinlich. Wenn man es jetzt darauf anlegt, und sich die Katze ins Gesicht reibt während man Mund und Augen offen hat, ja dann okay. Aber das sollte man sonst auch nicht machen. Es reicht - auch wenn man Tiere daheim hat, die gelegentlich raus laufen - aus, wenn man sich gelegentlich die Hände wäscht. Und auch da: Ich würde sowieso immer empfehlen, sich die Hände zu waschen nachdem man mit einer Katze gespielt hat und bevor man sich wieder ins Gesicht fährt. Und dann gibt es da überhaupt keinen Grund zur Sorge.

Martin Puntigam: Die Angst hat es bei der letzten Vogelgrippe-Epidemie ja schon gegeben, dass sich die Menschen fürchten, von ihrer Katze angesteckt zu werden. Da wurden dann Heerscharen an Katzen in Pflegeheime abgegeben. Diese Angst braucht man nicht zu haben? Man kann seine Katze behalten und man braucht sich vor den Haustieren nicht mehr fürchten als sonst auch?

Martin Moder: Nein, überhaupt nicht. Das wär nur eine Gefahr wenn sich die Tiere selbst anstecken könnten. Vielleicht sollte man sich momentan keine Fledermaus zuhause halten.

Martin Puntigam: Eine Frage die auch sehr oft gekommen ist, an die Evolutionsbiologin Elisabeth Oberzaucher vielleicht: Wie sind wir als Menschen gewappnet, wenn wir - wie jetzt Ärzte und Ärztinnen in Italien - entscheiden müssen, wen wir behandeln und wen wir sterben lassen müssen bzw. bei wem wir einfach nur hoffen können. Gibt es evolutionsbiologisch irgendwelche Strategien in so einer grausamen Situation?

Elisabeth Oberzaucher: Ja, das ist tatsächlich eine grausame Situation. Und die psychische Belastung für jene, die über das Leben anderer entscheiden müssen, ist natürlich immens. Das zu verarbeiten ist mit eine der größten Herausforderungen für das medizinische Personal.

Dass man das machen muss ist allerdings in der Medizin nichts neues. Bei dieser Triage, das kommt aus dem Französischen und heißt etwa „einteilen“ oder „separieren“, geht es darum, dass man die Versorgung der Menschen priorisiert. Da werden dann Patienten klassifiziert. Man sagt dann: Wahrscheinlich überlebt dieser Patient, egal was ich tue. Das wäre die erste Klasse. Die zweite Klasse wäre: Wahrscheinlich überlebt dieser Patient nicht, egal was ich tue. Und die dritte Klasse wäre die, wo meine therapeutische Intervention tatsächlich diesen Unterschied machen kann. Das sind die Patienten, die dann als erstes versorgt werden, weil man durch diese Versorgung die Überlebenswahrscheinlichkeit erhöht.

Im Detail gibt es unterschiedliche Strategien und Methoden wie diese Triage durchgeführt wird, aber das was unterm Strich rauskommt ist immer eine Entscheidung darüber, wem als erstes geholfen wird und wer länger warten muss.

Science Busters Podcast

Radio FM4

Die Sendung gibt es auch im Science Busters Podcast.

Martin Puntigam: Dass wir Menschen uns gegenseitig helfen, das ist in der Evolution glaub ich nicht besonders neu. Dass man entscheiden muss, wem man hilft schon?

Es gibt sogar Fossil-Funde die darauf hindeuten, dass wir uns schon seit sehr langer Zeit um kranke Mitmenschen gekümmert haben. Diese Entscheidung, anderen zu helfen, das ist also tatsächlich etwas, das den Menschen nahe liegt. Dass es dabei um so viele Menschen geht und auch um diese Entscheidung, wem ich helfe und wer leider nicht dran kommen wird, weil meine Ressourcen begrenzt sind, das ist evolutionär betrachtet schon neu.

In der Vergangenheit gibt es sogar Hinweise darauf, dass man chirurgische Eingriffe gemacht hat. Wenn man aber von so einer Infektionskrankheit ausgeht, da wäre es wahrscheinlich bei unseren Vorfahren eher nicht so rosig ausgegangen. Weil wir uns mit unserem Helfens-Bedürfnis dem anderen schon geholfen hätten, aber halt nicht diese medizinischen Möglichkeiten und auch nicht diese Möglichkeiten zum Selbstschutz gehabt hätten. Im Großen und Ganzen wär das deshalb wahrscheinlich viel schlimmer ausgegangen.

Martin Puntigam: Also das alte Prinzip aus der Fahrschule - zuerst die Unfallstelle absichern und dann helfen - das ist im Wesentlichen auch die Maßnahme die man jetzt beherzigen muss? Man muss die eigentliche Intuition überwinden und ein Prozedere einhalten, um sich selbst und andere besser zu schützen?

Elisabeth Oberzaucher: Genau. Das Bauchgefühl ist in vielen Fällen ein schlechter Ratgeber und jetzt gerade ganz besonders.

Clara will wissen: Eine Kollegin von mir hat etwas gesagt, das mich sehr irritiert hat. Dass nur Leder- und Plastik-Handschuhe einen absichern können und alle anderen ein Schmarrn sind.

Martin Moder: Die Sache mit den Handschuhen ist ein bisschen schwierig. Es ändert eigentlich nichts am Grundproblem, wenn ich Handschuhe trage. Dieses Grundproblem ist ja nicht, dass die Viren auf meinen Händen landen, da würden sie ja eigentlich noch nichts tun. Das Problem ist, wenn ich mir damit dann zu Mund, Nase oder Augen fahre. Wenn ich irgendwo unterwegs Handschuhe trage, dann sind die Viren halt auf den Handschuhen - und da bleiben vielleicht wirklich auf den Plastik-Handschuhen weniger hängen als auf Stoff. Wenn ich mir damit aber dann in Mund, Nase, Augen fahre, dann hab ich immer noch diesen Infektionsweg.

Was deshalb wichtig ist: Wenn du nachhause kommst, die Hände waschen oder meinetwegen auch desinfizieren. Und während du unterwegs bist, einfach nicht zu Mund, Nase und Augen fahren. Am Problem, dass ich mir Viren von der Hand ins Gesicht schmieren kann, würden Handschuhe an sich nicht viel ändern. Und kurz erwähnt: Die Frage ob diese Infektion über Oberflächen überhaupt eine große Rolle spielt, die ist noch offen. Man weiß wirklich momentan nicht, wie groß der Prozentsatz von Leuten ist, die sich wirklich dadurch anstecken, dass sie etwas angreifen, das jemand Kranker angegriffen hat. Die Annahme ist, dass das eigentlich ganz, ganz wenige Leute sind und dass das allermeiste durch direkten Kontakt übertragen wird.

Martin Puntigam: Was wir öfter auch in Sozialen Medien lesen: Wenn die älteren Menschen, die als Risikogruppe gelten, zuhause bleiben sollen, warum sieht man dann gerade jetzt so viele ältere Menschen im öffentlichen Raum? Sind die so bockig? Sind die so unbelehrbar? Bekommen die keine Nachrichten weil sie das Internet anders verwenden?

Elisabeth Oberzaucher: Grundsätzlich ist das auf zwei Faktoren zurückzuführen. Einerseits würde ich da unserer Wahrnehmung nicht ganz vertrauen. Unser Bewusstsein ist jetzt sehr darauf gelenkt, dass die Älteren mehr gefährdet sind und schwerer erkranken, und dass wir deshalb jetzt alle zuhause bleiben um Oma und Opa zu schützen. Dann nehmen wir die natürlich stärker wahr. Wahrscheinlich sind da gar nicht so viele unterwegs wie uns das vorkommt. Unsere Aufmerksamkeit ist eben darauf fokussiert.

Das andere ist, dass sich ältere Menschen schon auch schwerer tun, dieses Zuhausebleiben durchzuhalten. Viele von uns denken sich, fein, endlich mal nicht von Termin zu Termin hetzen. Menschen die im Berufsleben drinnen stehen erleben das dann zum Teil vielleicht sogar ein bisschen angenehm. Die älteren Menschen sind ja immer schon viel stärker einer sozialen Isolation ausgesetzt. Das heißt, die fangen schon so an, wie wir vielleicht in vier Wochen sein werden, wenn die Beschränkungen so lange dauern sollten. Die haben eh schon viel zu wenig soziale Interaktion. Deswegen ist das für sie noch viel schwerer, jetzt ganz darauf zu verzichten.

Ich würde deshalb sagen: Ein bisschen mehr Verständnis gegenüber diesen alten Menschen die jetzt draußen sitzen. Die kommen da einfach ganz woanders her.

Martin Puntigam: Das heißt es kann sein, dass den Menschen, die ohnehin schon sehr einsam sind, dann einfach noch viel mehr die Decke auf den Kopf fällt? Und dann kennt man das ja vielleicht von Großeltern oder Eltern, dass diese Nachkriegs-Generation eine ist, die sich auch nicht gern helfen lässt. Gehen die dann lieber nochmal selber raus bevor sie jemand anderen bitten?

Elisabeth Oberzaucher: Das kommt da auch noch dazu. Wenn da Hilfe nicht nachdrücklich angeboten wird, also fast schon aufgezwungen wird, dann gibt es da wirklich so ein Ich-kümmer-mich-schon-selbst-darum und Ich-will-niemandem-zur-Last-fallen, das da beides auch noch in die Richtung mitspielen kann.

Es gibt also ganz viele Faktoren die dazu führen könne, dass gerade ältere Personen nicht ganz so brav zuhause bleiben wie wir uns das für ihre Gesundheit wünschen würden.

Helga will wissen: Weiß man eigentlich schon, warum das Corona-Virus bei Kindern so milde Krankheitsverläufe verursacht? Woran liegt das eigentlich?

Martin Moder: Man weiß es nicht. Es gibt ein paar Vermutungen die man hat. Zwei davon möchte ich kurz erwähnen, aber bitte nochmal: Die sind mit Vorsicht zu genießen, weil es wirklich nur Vermutungen sind.

Das eine ist: Was so problematisch ausfällt, ist eigentlich die Immunantwort des Körpers. Diese Entzündung in der Lunge ist das, was das Atmen so schwierig macht. Jetzt haben Kinder ein Immunsystem, das nicht genau so funktioniert wie das der Erwachsenen. Es könnte also sein, dass bei ihnen die Immunantwort nicht so radikal ausfällt und sie deswegen nicht so schlimme Symptome haben.

Die andere Vermutung: Es gibt ja auch viele andere Corona-Viren, also vier andere eigentlich, die schon seit langer Zeit in der Bevölkerung umgehen. Gut möglich wäre, dass Kinder sich häufiger mit denen infizieren. Die lösen vor allem Erkältungen aus. Kinder haben dauernd laufende Nasen. Es ist also möglich, dass Kinder sehr häufig von diesen vier anderen Corona-Viren infiziert werden. Und es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass ein Immunsystem, wenn es auf diese vier schon eingestellt ist, ein bisschen bessere Karten gegen das neue Corona-Virus hat.

Martin Puntigam: Das heißt, die Rotznasen-Kinder die man überall sieht, stehen im permanenten Training und haben deshalb leicht bessere Karten?

Martin Moder: Das wäre die Hypothese. Man nennt das eine Kreuzreaktion in der Immunabwehr, wenn ein Antikörper eigentlich gegen einen anderen Erreger gebildet wurde, aber aufgrund von Ähnlichkeiten an der Oberfläche auch gegen einen anderen Erreger wirken kann. Aber das ist wie gesagt nur eine Vermutung. Dem ist auch noch niemand nachgegangen.

Martin Puntigam: Die nächste Frage ist vielfach gekommen, es ist die große Frage dieser Tage: Wenn jetzt die Maßregeln der Regierung alle befolgt werden, wenn die Ansteckungsrate heruntergetrieben werden kann, wenn man die Kurve abflacht, wie das immer genannt wird, was passiert dann danach? Weil, wenn es auch danach keine Maßnahmen gibt, um zu helfen, dann gibt’s vielleicht Intensiv-Betten, aber trotzdem steckt man sich dann an mit demselben Ergebnis, wie man’s jetzt hat. Wieso soll man sich dann nicht gleich jetzt anstecken? Bzw. wenn man schon krank war und man hatte einen sogenannten milden, leichten Verlauf, kann man sich dann noch einmal anstecken, oder hat man es dann hinter sich? Volkstümlich: „Machma’s gleich, dann habma’s hinter uns“?

Martin Moder: Es sieht schon sehr danach aus, dass man, wenn man die Krankheit einmal hatte, nicht mehr krank wird. Eine Zeit lang hat das unsicher gewirkt, weil es Fälle gab in China, wo Leute, die die Krankheit schon hatten, danach nochmal erkrankt sind - man ist dem dann nachgegangen und es hat sich herausgestellt, dass die eigentlich nie wirklich gesund geworden sind. Die Studien, die es gibt - das sind natürlich nicht sehr viele. Man hat zum Beispiel eine gemacht mit Affen, die uns da sehr ähnlich sind: Man hat Affen infiziert, hat sie nachher ausheilen lassen, und danach ist es nicht wieder gelungen, diese Affen zu infizieren. Egal, was für absurde Mengen von Viren man ihnen gegeben hat - das heißt, alles spricht eigentlich dafür, dass, wenn wir uns einmal damit angesteckt haben, zumindest wir in naher Zukunft immun sind.

Martin Puntigam: Den Verlauf kann man sich aber nicht aussuchen, oder? Also wenn ich mich bei wem anstecke, der einen leichten Verlauf hat, dann kriege ich auch einen leichten Verlauf?

Martin Moder: Nein, überhaupt nicht. Das liegt dann eher an der Reaktion von deinem Immunsystem. Es kann sogar damit zu tun haben, ob du dir zuerst den Rachen infizierst oder direkt die Lunge, das weiß man nicht, aber solche Dinge können prinzipiell Einfluss drauf haben, wie schwer der Verlauf ist. Es ist also ein ganz, ganz schlechte Idee, jetzt gezielt sich die Infektion zu holen. Weil, auf der einen Seite, du kannst nicht sicher sein, auch wenn du jung bist und gesund, ob der Verlauf nicht schwer wird, und außerdem kannst du nicht sicher sein, ob du es nicht vielleicht doch jemandem weitergibst und dann im Endeffekt für ein paar Tote verantwortlich sein könntest.

Selbst wenn ich das in Kauf nehmen wollen würde: Einige Tage und Wochen im Krankenhaus zu sein und beatmet worden zu sein, das bleibt ja nicht folgenlos, oder?

Martin Moder: Schön ist es auf keinen Fall. Mann kennt das ja auch von anderen Lungenerkrankungen. Wenn es so schwer ist, dass du schon beatmet werden musst, kann es durchaus sein, dass du Lungenschäden hast, die dann monatelang brauchen, bis sie wieder halbwegs unter Kontrolle sind. Also bewusst anstecken ist, vor allem zu diesem Zeitpunkt, wo die Kurve noch so steil ist, eine ganz, ganz schlechte Idee. Zögern wir es raus - vielleicht haben wir in naher Zukunft Passivimmunisierungen oder antivirale Medikamente, das wäre ein deutlich besserer Zeitpunkt, um zu sagen: Wir lockern die Quarantäne--Maßnahmen ein bisschen, und dann können wir vielleicht ein bisschen besser damit umgehen. Aber der jetzige Zeitpunkt, da wär’s wirklich entgegen aller Vernunft, zu sagen, ich hol mir eine Infektion, auch wenn ich jung bin.

Martin Puntigam: Eine Frage von Marco, über Facebook hereingekommen: Ist es möglich, dass durch die derzeitigen Quarantäne-Maßnahmen auch andere Viren-Erkrankungen wie Masern oder Grippe ausgerottet werden könnten, wenn man es lange genug macht?

Martin Moder: Durch die momentanen Quarantäne-Maßnahmen mit Sicherheit nicht, dafür haben wir noch viel zu viel Kontakt miteinander. Zum Ausrotten müsste man schon die Leute wirklich 2-3 Wochen in vollkommener Isolation halten. Und dann kommt es noch darauf an, von welcher Krankheit man spricht. Masern und Grippe wurden genannt - naja, bei Grippe würde es schon einmal nicht funktionieren, einfach, weil da der Mensch nicht der einzige Wirt ist. Wenn ich zum Beispiel die Vogelgrippe nehme, selbst wenn ich die beim Menschen durch Quarantäne ausrotte, kommt die vom Vogel wieder.

Bei den Masern würd es in der Theorie prinzipiell besser funktionieren, denn da ist der Mensch der einzige Wirt. Allerdings, bei den Masern haben wir eine Impfung, die funktioniert hervorragend. Die Masern hätten wir eigentlich schon längst ausgerottet haben sollen, wenn sich die Leute alle impfen lassen würden. Das wär natürlich deutlich angenehmer und wir würden nicht den Kollaps der Zivilisation riskieren (wie bei Quarantäne, Anm.).

Es gibt aber noch eine Sache zu bedenken: Selbst, wenn ich die Leute eine Zeit lang isoliere - die meisten Krankheiten, auch das aktuelle Coronavirus, wären nach etwa zwei Wochen im Körper vernichtet und somit eigentlich vom Erdball verschwunden. Wenn ich aber jetzt immunschwache Menschen habe, wenn jemand zum Beispiel eine Transplantation hatte und das Immunsystem unterdrückt wird, in denen können sich auch so vorübergehende Viren zum Teil Monate bis hin zu Jahre halten. D.h. selbst, wenn ich jetzt ein Monat lang alle in Quarantäne stecken würden, würden die meisten Krankheiten immer wieder zurückkehren.

Martin Puntigam: Es wird ja nun sehr viel videotelefoniert. Es kam die Frage auf, wäre es nicht eine gute Idee, die Bandbreite für entscheidendere Dinge frei zu halten?

Elisabeth Oberzaucher: Dass die Videotelefonie jetzt grade so populär wird, zeigt, wie stark sozial wir als Spezies ausgerichtet sind. Dass uns wirklich Sozialkontakte so wichtig sind, dass sogar mittlerweile die technologiefeindlichsten Leute mit Videotelefonie sich anfreunden. Grundsätzlich ist es schon so, dass wir damit ausgleichen, dass wir unsere Kontakte nicht mehr von Angesicht zu Angesicht treffen können. Besonders die, die alleine wohnen, trifft das sehr hart, weil sie gar keine Kommunikation in direkten Dingen mehr haben, sondern das alles virtuell erledigen müssen. Das ist für uns sehr sehr wichtig.

Irenäus Eibl-Eibesfeldt, der berühmte Verhaltensforscher, der sich hauptsächlich mit menschlichem Verhalten auseinandergesetzt hat, hat aufgezeichnet, dass dieses Miteinander-Reden wie eine Berührung wirkt. Und dementsprechend ist irgendwie so dieses sich gegenseitig Textnachrichten schreiben zwar schön, um Informationen auszutauschen, aber das Kontaktbedürfnis wird immer besser befriedigt, je mehr unterschiedliche Kommunikationskanäle wir zusammenfügen.

Martin Puntigam: Es machen sich zwar viele Menschen immer darüber lustig, wie furchtbar Emojis sind, aber die sind auf der kommunikativen Ebene also eigentlich besser?

Elisabeth Oberzaucher: Ja, total. De facto ist das eine Erfindung, die genau dieses Defizit in der textuellen Kommunikation eigentlich ausgleicht. Wenn wir uns nur auf ein paar Worte beschränken müssen, dann funktioniert das ganz schlecht, aber so ein Smiley, der kann schon ein bisschen was wegnehmen, ein paar Ecken und Kanten, die Botschaft ein bisschen uneindeutiger oder zweideutiger machen.

Martin Puntigam: Wenn man ausgeht, macht man sich hübsch, man zieht ein besonderes Gewand an - soll man sich also auch für ein Videotelefonat, dass man da nicht ungewaschen und unrasiert vor irgendeinem Hintergrund sitzt, sondern ist das auch eine Mitteilung an sich selber und an andere, wenn man sich da ein bisschen Mühe gibt?

Elisabeth Oberzaucher: Grundsätzlich ist Körperhygiene immer gut! :) Dass man sich ein bisschen herrichtet, das ist, so wie im richtigen Leben, auch ein Zeichen von Respekt und Anerkennung einerseits. Andererseits, wenn man sich so richtig ungewaschen herzeigt, so wie man aufsteht in aller Herrgottsfrühe, so wie man sich eigentlich der Welt nicht herzeigen würde, wenn man das jemandem zeigt, dann ist das auch ein ziemlicher Vertrauensbeweis, und könnt fast sogar als Liebesbeweis gelesen werden.

Frag die Science Busters - Teil 2

Am Montag, 23. März, 13-14 Uhr

Die Science Busters Martin Puntigam, Molekularbiologe Martin Moder und die Verhaltensbiologin Elisabeth Oberzaucher beantworten die Fragen der FM4-Hörer*innen zum alles bestimmenden Thema dieser Tage aus der Sicht der Wissenschaft.

Alles, was du über das Coronavirus wissen willst, aber dich kaum zu fragen traust - unter diesem Motto sammeln wir via Mail und unsere Social-Media-Kanäle die dringlichsten Anfragen und lassen sie von den stets gut informierten Science Busters beantworten.

Die Folgen zum Nachhören

Frag die Science Busters (16.03.2020)
Frag die Science Busters (23.03.2020)

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Fragen und Antworten der ersten Fragestunde mit den Science Bustern kannst du übrigens hier nachlesen.

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