FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Filmstill "Der schönste Platz auf Erden" zeigt eine Stadtansicht von Pinkafeld im Burgenland, eine Straße und Häuser

Golden Girls/Elke Groen

Elke Groens Doku über Pinkafeld wird die Diagonale eröffnen

Die Überraschung ist perfekt: „Der schönste Platz auf Erden“ von Elke Groen wird der Eröffnungsfilm der Diagonale. Es geht nach Pinkafeld und in die weite Welt: Ein erster Ausblick auf das Festival des österreichischen Films.

Diagonale - Festival des österreichischen Films, 24.–29. März 2020, Graz

Elke Groen ist Donnerstagnachmittag nicht in Graz, als die Diagonale ihren Eröffnungsfilm bekannt gibt. Sie arbeitet gerade noch am Film und am Filmplakat. „All diese Dinge müssen jetzt, wie man in Pinkafeld vielleicht sagt, zack-zack-zack erledigt werden!“, freuen sich die Festival-Intendanten Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger auf die Uraufführung von „Der schönste Platz auf Erden“ am 24. März 2020 in der Helmut-List-Halle in Graz. Eine Kleinstadt auf großer Leinwand - das ist doch eine Überraschung vorab!

„Wenn man einen Fokus auf einen Platz hat, werden auch größere Zusammenhänge klar, und ich habe das Gefühl gehabt, da kann man sich gut bewegen“, sagt Regisseurin Elke Groen am Telefon über das Zentrum ihres Films. Mit „niedrigem“ Budget und der Golden Girls Filmproduktion, die schon viele Publikumspreise für ihre Filme auf der Diagonale gewinnen konnte, realisiert sie die Langzeit-Auseinandersetzung „Der schönste Platz auf Erden“.

7423 Pinkafeld steht im Zentrum des Dokumentarfilms. 5823 Einwohner*innen. Die Disko, das Wirtshaus. Der 1. Mai und der Perchtenlauf. Kuhfladen-Bingo (!) und ein politischer Elefant im Raum. Aber Elke Groen hat es nicht auf Schenkelklopferpointen abgesehen.

Eine Kuh an der Leine mit ihrer Bäurin - Filmstill aus dem Dokumentarfilm "Der schönste Platz auf Erden"

Golden Girls/Elke Groen

Kuh Schnucki beim Kuhfladen-Bingo! Auch sie ist in „Der schönste Platz auf Erden“ mit dabei und ihre Besitzerin Corinna Wagner-Luif ist ein Role-Model.

Wie sehr spaltet sich das Land?

Drei Jahre hindurch hat Elke Groen Bewohner*innen der burgenländischen Stadt zugehört und mit ihnen diskutiert, ohne den Menschen nach dem Mund zu reden. „Mein Fokus am Anfang war die Polarisierung, war auf der FPÖ und auch der Hetze: Wie sehr spaltet sich ein Land wirklich? Das hat sich dann zum Zerfall der SPÖ entwickelt. Welcher Zusammenhang besteht, hat sich mir immer mehr gezeigt“, sagt Elke Groen. „Es ist keine Expertendiskussion. Es geht um das, was die Menschen beschäftigt.“ In Pinkafeld zu drehen, sei sehr schön gewesen: „Ich glaube, das gilt für das ganze Burgenland: Die Menschen sind sehr offen.“

Die Filmemacherin hat 1995 erlebt, wie der Politiker Jörg Haider groß geworden ist und das damals im kleinen Rahmen dokumentiert. Wie 2016 der Wahlkampf um die Bundespräsidentschaft so lange dauerte, hatte sie das Gefühl, dass sich gesellschaftlich wieder etwas stark verändert.

Die Filmemacherin und Cutterin Elke Groen trägt einen kurzen Haarschnitt und lächelt

Golden Girls/Roland Ferrigato

Elke Groen hat Architektur und Fotografie studiert, seit 1995 sind ihre Berufe Filmemacherin und Cutterin. Einer ihrer Filme war „Jeder siebte Mensch“.

„Es ist ein Kleinstadt-Kaleidoskop“

„Das ist ein Film, der zur jetzigen Zeit die Diagonale eröffnen muss: Weil er sich in seiner kleinstädtischen Erzählung gut ins Programm fügt, und zum anderen ist es das erste filmische Dokument nach Ibiza, das direkt darauf verweist“, sagt Sebastian Höglinger. Ibizia, das steht für den großen Polit-Skandal der jüngeren österreichischen Geschichte: Am 17. Mai 2019 wird ein Video veröffentlicht, das die damaligen Politiker Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus in einer Villa auf Ibiza zeigt. Was die beiden dort kundtaten, führt zum Rücktritt von ihren politischen Funktionen, die türkis-blaue Koalition zerbricht.

Das Intendanten-Duo bleibt also auf Kurs und begreift das Festival des österreichischen Films weiterhin als eine durchaus sehr politische Veranstaltung.

Filmstill "Der schönste Platz auf Erden" zeigt eine Stadtansicht von Pinkafeld im Burgenland, eine Straße und Häuser

Golden Girls/Elke Groen

„Der schönste Platz auf Erden“ wird gerade noch fertiggestellt.

„Pinkafeld ist international auch ins Interesse gerückt im österreichischen Präsidentschaftswahlkampf 2016, wo der berühmteste Bewohner - Norbert Hofer - in die Stichwahl gekommen ist, und plötzlich die Rede war: Was sind das für Leute, die dort zu 70 Prozent für Norbert Hofer gestimmt haben? Obwohl es eigentlich eine SPÖ-Hochburg in einem rot regierten Bundesland ist“, fasst Sebastian Höglinger die historische Dimension des Schauplatzes kurz. Auch CNN-Reporter wären nach Pinkafeld gereist.

Dabei war die Wahl der Stadt für Groen ein Zufall. Regiekollegin Ina Ivanceanu hat Elke Groen auf Pinkafeld aufmerksam gemacht. Die beiden waren gemeinsam schon für „Jeder siebte Mensch“ in chinesischen Dörfern unterwegs. „Jeder siebte Mensch“ auf der Welt ist eine chinesische Bäuerin oder ein chinesischer Bauer. Diese Tatsache ist der Titel des Dokumentarfilms, der 2007 auf der Diagonale lief.

Diagonale: Halleluja, die erste Party!

In den Diagonale-Nächten wird auch viel getanzt. Los geht’s garantiert schon am Eröffnungsabend, wenn der Pinkafelder Disko-„Halleluja“-Betreiber Hans-Jürgen Horvath und FM4s Alexandra Augustin auflegen werden. Hans-Jürgen Horvath hatte als Jugendlicher noch Hausverbot in seiner jetzigen Betriebsstätte - aufgrund seiner Abstammung. Wie er im Film erzählen wird, ist das jetzt kein Thema mehr, da die Ressentiments gegenüber Geflüchteten die Ressentiments gegen Roma und Sinti in den Hintergrund gerückt hätten.

Special: Stadt, Land, Film!

„Sehnsucht 2020 - Eine kleine Stadterzählung“ ist der Titel des historischen Specials auf der diesjährigen Diagonale. Es geht zurück in die Gemeindebauten Wiens mit Max Neufelds „Sehnsucht 202“ aus dem Jahr 1932 und auf einen „Aimless Walk - Spaziergang ins Blaue“ (1930) mit dem Avantgarde-Fotografen und Regisseur Alexander Hammid, der 1907 in Linz geboren wurde und 1939 in die USA emigrieren musste. Archiv-Schätze wie „Canale Grande“ der Künstlerin Friederike Petzold sind für dieses Special programmiert. Auch gibt es die Möglichkeit auf ein Wiedersehen im Kino mit Barbara Alberts wunderbarem Drama „Nordrand“ (1999), das auch für einen Wendepunkt in der österreichischen Filmgeschichte steht. Apropos Barbara Albert: Sie wird bald den Debütroman „Bestattung eines Hundes“ von Thomas Pletzinger als achtteilige Serie verfilmen.

Jessica Hausner und ihr bisheriges Gesamtwerk

Groß ist die Vorfreude auch auf die Gäste, die für die Diagonale jedes Jahr nach Graz kommen. Jessica Hausner wird diesmal sehr präsent sein: Der Regisseurin, die zuletzt mit „Little Joe“ ein „hochstilisiertes Gemälde mit Thriller-Unter- und philosophischem Überbau“ realisiert hat, wie Filmexpertin Pia Reiser es treffend formuliert, und damit als erste Österreicherin überhaupt in den Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes geladen war, ist die Reihe „Zur Person“ gewidmet. Das bedeutet, dass ihr bisheriges Gesamtwerk in Graz gezeigt wird. Wer sonst noch kommt und welche Filme zur Diagonale bringt - das erfahren wir Anfang März.

Jessica Hauser

Diagonale / Niko Havranek

mehr Diagonale:

Aktuell: