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Hearts Hearts

Tim Cavadini

fm4 award beim amadeus

Wieso Hearts Hearts den FM4 Award beim Amadeus 2021 gewinnen sollten

Hearts Hearts sind zum dritten Mal unter den Top 5 Nominees für den FM4 Award beim Amadeus gelandet. Es wär’ jetzt also an der Zeit. Eine subjektive Huldigung.

Von Lisa Schneider

„Die allertraurigste Geschichte“ von Ford Madox Ford ist ein schönes, vor allem aber auch ein schön langweiliges Buch. Vom britischen Schriftsteller haben sich vier Musiker aus Wien damals auch nur den Namen, nicht den langatmigen Stil geborgt - auch wenn einer von ihnen begleitend verraten hat, dass „wir allesamt keine einzige Zeile von ihm gelesen haben“. Ehrlich, sympathisch, klug und - eben in anderen Bereichen - belesen, das sind Hearts Hearts. Es ist dann doch dieser doppelt liebevolle Bandname geworden, nach einem ersten gemeinsamen Song, der ihnen den Weg Richtig Indietronica gewiesen hat.

So hat das alles begonnen. Jetzt schauen wir zurück auf sechs gemeinsame Jahre von FM4 und Hearts Hearts, auf unzählige Interviews, auf Session-Auftritte und natürlich jetzt auch wieder auf Nominierungen für den FM4-Award beim Amadeus. Zum dritten Mal sind Hearts Hearts heuer unter die letzten fünf Acts gewählt worden, die noch einmal ins Rennen um die Trophäe gehen. Vielleicht ist das die Glückszahl, auch Mavi Phoenix hat erst beim dritten Anlauf gewonnen.

Band Hearts Hearts bei FM4 vor dem Studio

FM4

Da waren die Haare noch kürzer und die Songs auf schönste Weise verschwurbelter: Hearts Hearts bei einem ihrer vielen Besuche im FM4 Studio (Johannes hat an dem Tag gefehlt, vermutlich, weil er gerade in Island zugegen war).

Better together

Wir haben sie lang begleitet und das aus Gründen. Bei den vier Musikern von Hearts Hearts treffen interessante Typen aufeinander: Daniel Hämmerle, schwedischer Österreicher, schreibt sonst auch funklastige Lieder mit seinem Bruder für das gemeinsame Schillerpop-Projekt Safari, ist The Beatles-Experte und schwört auf die Magie des Liedes „Hit Me Baby, One More Time“. Johannes Mandorfer, Drummer von Hearts Hearts, arbeitet gerne an der Schnittstelle von Musik und darstellender Kunst, wenn er etwa nach Island reist und dort ein Klavier baut, das auf allen Tasten mit demselben Ton belegt ist. Außerdem kann er - und das können nicht viele - die Musik von Hearts Hearts sehr gut auf den Punkt bringen: „Wir klingen wie die Lieblingsmusik unserer Eltern - nur mit Autotune“. Peter Paul Aufreiter, bei Hearts Hearts für alles Mögliche, vor allem aber auch für die Produktion zuständig, ist uns zuerst im Bandformat der liebenswürdig-schrulligen Elektropopband KidsNCats begegnet. Peter Pauls größte Träume, neben dem Gewinn des FM4-Awards: Mal eine KEXP-Session spielen und natürlich den Headliner-Slot am Sziget Festival ergattern. Und schließlich David Österle, der für Hearts Hearts unter anderem textet und singt, ist, wenn nicht gerade heimischer Popsänger, Post-Doc am Germanistik-Institut an der Universität Wien und überdies Sachbuchautor. Er ist - no na ned - ein hervorragender Interviewpartner und hat einen ebenso hervorragenden Musikgeschmack (hört euch die Band Whitney an).

Ein erstes Kennenlernen

Musiker, die dichten“, so der Titel meines ersten Texts über diese Band. Ganz ohne literarische Vergleiche kommt man da schon wieder nicht durch, bei schönen Songtiteln wie „The World Was My Oyster“ oder fast schon russischen Großroman-Anleihen wie „Potemkinsche Dörfer“. Schon ein bisschen intellektuell überhöht, gerade eben so viel, dass man das „Art“ vors „Pop“ packen muss. Musik, die klingt, als wäre sie mathematisch berechnet und Musiker, die sich im Studio wohler als auf der Bühne fühlen. Großer Nerd-Spaß. So war das zu Zeiten von „Young“, dem ersten Hearts Hearts-Album, es ist im Dezember 2015 erschienen.

Deshalb - und weil es sehr gut war - waren sie auch unser FM4 Soundpark Act des Monats. Im Zuge dessen habe ich außerdem mein erstes Hearts Hearts-Konzert besucht, im Rahmen des damaligen Waves Vienna Festival sind Hearts Hearts am bzw. im Badeschiff Wien aufgetreten. Review-Auszug: „Als wäre Thom Yorke schnell in die Hipster-Jean geschlüpft und hätte einen Abstecher an die Donau gewagt.“

Das alles war so neu, interessant und gut, es flatterten nicht nur Einladungen zu diversen europäischen Showcase-Festivals herein, sondern auch ein Vertrag bei Tomlab, dem deutschen Label, bei dem auch unter anderem Acts wie Thee Oh Sees oder Owen Pallett unterzeichnet haben (schön: Peter Paul Aufreiter hat sich für ein vergangenes FM4-Gästezimmer ein Lieblingslied von Owen Pallett gewünscht, es war natürlich „This is the dream of Win and Regine“).

Die beste Version von Hearts Hearts

Beim zweiten, großen Release, dem Album „Goods/Gods“, sprachen Hearts Hearts vom „Zulassen der schönen Melodie“ und von einer „Hearts-Hearts’ Art der Zugänglichkeit“. Das stimmt schon so. Es bleibt mein liebstes Hearts Hearts-Album. Weil so sehr man sich aushelfen mag mit Wörtern wie „Eklektizismus“ oder „Experiment“ bleibt das alles immer im angenehmen Bereich der anspruchsvoll-eleganten, aber eben auch sehr gut ohrwurmigen Popmusik.

Inhaltlich bleiben Hearts Hearts auf „Goods/Gods“ bei gesellschaftlichen und philosophischen Themen, bei unter anderem Kapitalismusträumen, die auf den Müll wandern. Das heißt dann etwa kurz und knackig im Titel „to have/to be“. Hah, und just in der Sekunde des Verfassens dieses Texts posten Hearts Hearts auf Instagram, dass vor genau drei Jahren dieses beste Album erschienen ist - natürlich inklusive Fotos aus den alten FM4 Studios in der Argentinierstraße. Nostalgieträne.

(Pop)Musik ist für alle da

Und jetzt ist es da, das dritte Album. Die Vorab-Singles haben Hearts Hearts schon mit den Worten „wir freuen uns, endlich auch einmal offener über uns selbst zu schreiben und zu sprechen, über die Liebe, über zwischenmenschliche Beziehungen“ an uns hier bei FM4 adressiert. Empathie statt Ironie, das verrät schon der Albumtitel „Love Club Members“. „Alle sind eingeladen“, schmunzelt Gitarrist Daniel beim Session-Interview. Mittlerweile sitzen wir zusammen wie alte Freund*innen in den bequemen Sesseln im Studio 2, wo Hearts Hearts einige neue Lieder im schönen Radiokulturhaus-Setting präsentieren. „Uns hat das Wortspiel gefallen“, ergänzt Daniel, ist die Liebe ja doch leider kein Club, dem man gegen finanzielle Gegenleistung beitreten kann.

Die Message bleibt ehrlich und ehrbar, die Musik von Hearts Hearts ist, vielmehr als früher, eine Einladung zum Gemeinsamsein. „Vielleicht nicht direkter“, bessert mich Daniel beim Interview aus, „aber weniger abstrakt“. Zynismus ist nichts, womit man in der aktuellen Popmusik große Schlagzeilen macht. Man wird älter, gelassener, und auch irgendwo Profi bei Erschnuppern dessen, was die Fans gerade brauchen könnten. Wenn deren Wünsche mit den gewandelten Soundvorstellungen der Band zusammenfallen, wie es hier der Fall ist: Jackpot.

Auf „Love Club Members“ hören wir also elf mal große, dann wieder kleine Lieder über die Liebe, die nicht immer mit Romantik zu tun hat. Hearts Hearts stecken den Soundbogen groß aus: Neben Lagerfeuer-Akustikgitarrenromantik („Some Oceans Away“) gibt’s die aktuell schönste The National-Anleihe („Rub My Eyes“) oder auch ein Duett zum klassischen Beziehungshickhack mit Label-Kollegin OSKA („The Fan“) zu hören (mittlerweile werden Hearts Hearts von Parramata vertreten). Ich habe es oft gesagt und wiederhole mich gern: Phil Collins-Drums höre ich am liebsten, wenn nicht vom Meister, dann am Lied „Wild At Heart“.

Mit „Love Club Members“ und der Betonung von unser aller Unzulänglich- und Gemeinsamkeiten treffen Hearts Hearts einen wunden Punkt. Und kleben gleichzeitig ein Pflaster drauf. Allein dafür würde ich ihnen diesen FM4 Award 2021 gerne - endlich! - überreichen. Und die Torte, natürlich.

Wenn ihr virtuell Sprudel mit David, Daniel, Johannes und Peter Paul trinken möchtet: Bis 10.00 Uhr am 6. Mai könnt ihr hier abstimmen.

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