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Blumenaus Fußballjournal

Warum rund ums Nationalteam keine Stimmung aufkommt

Es mutet seltsam an, ist aber so: das ÖFB-Team ist so gut wie fix bei der Euro - und die generelle Stimmung ist trotzdem schlecht. Das sind die Gründe.

Von Martin Blumenau

Kein Vergleich zur Koller-Mannschaft von vor vier Jahren - deren Qualifikation zur Euro 2016 war ein einziger euphorischer Lauf, ein von fast schon hysterischem Jubel begleiteter medialer Triumph-Zug. Diesmal: Abnicken, nächstes Thema. Die Stimmung ist mies und das hat auch seine Gründe, nämlich vier, mindestens: Probleme mit den Fans, Probleme mit der Infrastruktur, Probleme mit den handelnden Personen und Probleme mit der Spielkultur.

Stil und Personal

Für ein kollektives Stimmungs-Hoch, mit dem Fans, Öffentlichkeit und Medien einander in eine positive Erregungs-Spirale treiben, ist es egal, wie stark/gut die Gegner in einer Qualifikation sind - deswegen lassen wir die Vergleiche zwischen Russland, Schweden, Serbien, Wales, Polen, Slowenien und Israel weg.

Entscheidend ist die attitude, die Herangehensweise. Die Koller-Truppe, als Underdog gestartet, legte einen wilden, überfallsartigen Spielstil vor, der die Gegner überforderte (hohes Pressing, schnelles Umschalten) und die Zuschauer begeisterte. Ich erinnere mich an das Gefühl auf dem Heimweg nach dem Heimspiel gegen Montenegro im Oktober 2014, es war das Gefühl Teil eines großen und sinnstiftenden Projekts zu sein, mit dem man neue Maßstäbe setzen würde.

Dieses Gefühl fehlt jetzt, weil weder Spielstil noch das Führungspersonal den Zug zum Tor haben, und weil der Verband in seinem Gespräch mit Fans und Öffentlichkeit schwächelt.

Weder Marcel Koller noch Willi Ruttensteiner, die Architekten des Erfolgs von vor vier Jahren, sind blind drauflosstürmende Hallodris, sondern durchaus von Vorsicht getriebene Planer. Sie konnten jedoch a) eine Idee entwickeln, b) diese Idee beseelt nach innen und außen vertreten und c) diese Idee dann auch praktisch umsetzen. Passt genau so ins Best-Practice-Handbuch der modernen Führungskraft.

Franco Foda und Pete Schöttel, ihre Nachfolger, sind Abteilungsleiter, die bereits das Konzept einer irgendwie anders gearteten Idee als zu risikoreich einstufen und lieber im sicheren Terrain bleiben, sich lieber mit Durchschnitt und Stillstand (was in Österreich traditionell den Job sichert) zufriedengeben. Foda wüsste theoretisch wie’s gehen könnte, er greift aber lieber auf den in seiner fußballerischen DNA tief verankerten reaktiven Abteilungsleiter-Stil zurück, eine Spielart, die erfolgreich sein kann, aber durch ihre Mutlosigkeit und die fehlende Attraktivität die Fans nicht mitnimmt. Im Vergleich zum dynamischen Erklärbären Ruttensteiner ist Peter Schöttel, der über weniger Gesichtsausdrücke verfügt als Buster Keaton, ein reiner Geschmacks-Verstärker dieser schal schmeckenden Schonkost.

Der diesbezügliche Tiefpunkt war der Sieg gegen Israel - die Kollegenschaft hat dieses Match hier und hier bestens analysiert. Foda kastrierte mit seinem „verstörend passiven“ Matchplan die Möglichkeiten seiner Mannschaft, die aktuell weit über dem liegen, was sein meist sehr einfach gestricktes Konzept zulässt. Damit mag man die nötigen Siege gegen (aktuell) deutlich schwächere Teams wie Slowenien und Israel absichern, Freude, Begeisterung oder gar Euphorie ist damit nicht zu lukrieren.

Schon gar nicht, wenn aktuell drei österreichische Vereins-Team deutlich besser vorzeigen wie aktiv orientierter Fußball mit scharfem Pressing und Lust am einfallsreich orchestrierten Offensivspiel geht. Im direkten Vergleich mit Salzburg, Linz und Wolfsberg stinkt das ÖFB-Team attraktivitätstechnisch gerade ordentlich ab.

Fans und Stadion

Der Funke kann also aus rein psychologischen Gründen nicht überspringen. Und bereits bei der Bestellung von Schöttel und Foda war klar, dass diese beiden es nicht Kraft ihrer sprühenden Persönlichkeiten oder gar ihrer mitreißenden Ansätze derheben würden. Insofern haben der ÖFB - und die gesamte an der Bestellung beteiligte Branche, auch und vor allem die Liga - diesen Mangel bereitwillig in Kauf genommen. Wohl weil anderes wichtiger war als diese Qualitäts-Sicherung.

Dazu kommt aber auch noch eine völlig überflüssige, hausgemachte Vertrauens-Krise zwischen dem ÖFB und den an sich unproblematischsten Fans des Landes, die bei der zurückhaltenderen Fan-Politik der neuen sportlich Verantwortlichen entzündete, dann an den zu hohen Eintrittspreisen abarbeitete, nicht eingefangen werden konnte (was auch mit weltfremden Sprüchen des ÖFB-Präsidenten von 32 Euro teuren Kinokarten zu tun hat) und eskalierte, (historisch durchaus seltenen) Stimmungs-Boycott und schlechter Besuch bei wichtigen Pflichtspielen inklusive.

Dazu kommt die da ebenfalls mitschwingende Infrastruktur-Debatte um das abgerockte und für internationale Großereignisse mittlerweile untaugliche Prater-Stadion, die Präsident Windtner und der ÖFB mit einer öffentlichkeitswirksamen Finte abfangen wollten - was ordentlich in die Hose ging und für zusätzliche Image-Desaster-Punkte sorgte.

Der ÖFB wollte den Schwarzen Peter rund um den Stadion-Neubau der Stadt Wien unterjubeln (was auch aufgrund der politischen Positionierung der Beteiligten, ganz im Sinn der bundespolitischen Großwetterlage und dort ausgewalzter Feindschaften vortrefflich gepasst hätte). Der zuständige Stadtrat erklärte die mangelnde Gesprächsbereitschaft mit echten Basics, nämlich der inexistenten Strategie und einem fehlenden Konzept von ÖFB-Seite.

Dem widersprach der ÖFB natürlich heftig und kündigte die (eigentlich absurde) Möglichkeit eines Stadion-Neubaus im Speckgürtel (Stichwort: Flughafen-Nähe) an und brachte das Burgenland und Niederösterreich ins Gespräch - beide Länder nutzten den kurzzeitigen PR-Effekt und signalisierten Bereitschaft. Nach der (nur logischen und schnellen) Absage aus dem Burgenland kam jetzt auch ein Leider-Nein aus NÖ. Begründung: „Der ÖFB hat keine genauen Pläne formuliert, es gibt auch keine Strategie.“ Peinlicher kann man nicht zurück an den Start geschickt werden.

Letztlich entspricht die aktuelle Gesamt-Performance des ÖFB (die Spieler, die mehr können würden, ließe man sie nur, einmal ausgenommen - auch wenn sie sich, wie hier richtig angemerkt wird, von der Realitätsverweigerung innerhalb des ÖFB bereits haben anstecken lassen - auch die der U21, trotz der schlimmen Niederlage gegen England gibt es tolle Ansätze) der österreichischen, ja der mitteleuropäischen Verfasstheit: wenig Bewegung, keine guten Ideen, fehlendes Problem-Bewusstsein für Veränderungs-Potential, Schuldzuweisung an Außenstehende oder Umweltfaktoren, Vorrang für Partikular-Interessen, Desinteresse an langfristigen Konzepten u.v.m.

Und so heißt es dann eben: Suderei statt Euphorie.

Zuletzt in Blumenaus Fußball-Journal zum Thema ÖFB-Team: Der missglückte Doppelpass zwischen Liga und Verband, Martin Hintereggers bsoffene Gschicht und was sie über Fußball und Politik in Österreich erzählt.

Davor: Der ÖFB, sein kinoloser Kinospots und sein Rückzug in den Speckgürtel. Zuvor die Nachbetrachtung zum Mazedonien-Ausflug des ÖFB-Teams sowie Preview und Nachlese zum Slowenien-Länderspiel. Außerdem: alles zur systematischen Analyse-Verweigerung nach der U21-EM.


Das sind die Vorgängertexte, egal ob als #dailyblumenau auf der neuen oder der alten Website, oder im langjährigen Journal. Regelmäßiges zu diesen Themenfeldern abseits des Fußballs folgt im Herbst.

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