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Xaver Schlager und Stefan Posch nach der U21-EM Begegnung zwischen Österreich und Deutschland

APA/ROBERT JAEGER

Blumenaus Fußball-Journal

Manisch-depressive Analyse-Verweigerung

Es wurde also ein recht okayer Platz 8 bei Österreichs U21-EM-Premiere, mit einem Sieg, einer Niederlage und einem Prestige-Remis gegen Deutschland. Mit Aufarbeitung ist’s aber nix: Sportliche Führung und Öffentlichkeit tun so, als ob die großen Leistungs-Schwankungen unerklärbar wären.

Von Martin Blumenau

Die Rituale haben sich schon eingebrannt. Nach guten Ergebnissen nähern sich die Öffentlichkeits-Vertreter (nicht nur die aus dem Live-TV) gratulierend und ehrfürchtig, nach schlechteren tröstend und nachtragend, wichtig ist aber nur die herausgekitzelte Emotion, nicht der Inhalt des Gesagten. Und in den Köpfen der Akteure hat sich das entsprechend festgesetzt. Bei einem Sieg muss man nichts erklären, sondern nur beschreiben und bei einer Niederlage reicht es eigentlich möglichst verzweifelt darzulegen, dass man eigentlich keine Erklärung hat.

Bei einer gefühlten Niederlage wie im gestrigen Spiel gegen Deutschland, die andererseits auch ein gefühlter Sieg ist (weil eine gute Leistung gegen die „Deitschn“ immer mehr wert ist), stehen diese Stehleitsätze einander im Weg. Das verdoppelt die Freude der Öffentlichkeit, vor allem wenn von Stolz die Rede sein darf, hat aber den Nebeneffekt der vollständigen Vernebelung jedes analytischen Ansatzes.

Die Kollegen von 90minuten.at haben das Deutschland-Match in Offensive sowie in Defensive gegliedert analysiert.

Dazu zuletzt in Blumenaus Fußball-Journal, das jetzt wieder regelmäßig erscheint: Nachträgliche Relativierung, die Nachlese zur Niederlage der U21 gegen Dänemark; die Analyse des Sieges über Serbien. Davor Texte über den letzten Test vor Beginn der ersten U21-Euro, an der der ÖFB teilnehmen darf.

Das war die Vorrunden-Bilanz der Frauen-WM, nach einem ersten Blick und einem zweiten auf Deutschland vs Spanien. Ich empfehle das große und aussagestarke WM-Extra von ballverliebt.eu.

Zuletzt noch im Journal: die Analyse der Hahnenkämpfe um die globalen Fußball-Rechte anlässlich des Afrika-Cups, eine Analyse der zunehmend geschlossenen Gesellschaften im Fußball Closed Shop – am Beispiel der beginnenden UEFA-Bewerbe und des Trainingsbeginns der Liga-Meisterschaft. Dazu auch eine Analyse der Position der Chef-Coachs und die Bilanz der letzten Saison.

Außerdem: Nachbetrachtung zum Mazedonien-Ausflug des ÖFB-Teams sowie Preview und Nachlese zum Slowenien-Länderspiel. Und hier noch eine Preview auf die Copa America.

Das sind die Vorgängertexte, egal ob als #dailyblumenau auf der neuen oder der alten Website, oder im langjährigen Journal. Ein regelmäßiges Journal zu diesen Themenfeldern abseits des Fußballs, folgt im Herbst.

Es ist kein Phänomen des Fußballs, sondern der österreichischen Seele geschuldet, die keinen Platz für Aufarbeitung oder gar Kritik kennt und sich gern in den Fatalismus und die Opferrolle flüchtet. Und so einigen sich Spieler, Verantwortliche, Medien und Konsumenten schnell und gerne darauf, dass Erfolge eben den Hermann-Maier-mäßigen Tugenden der „großen Söhne“ zuzuschreiben seien, während Misserfolge wie unerklärliche Schicksalsschläge auf die in ihrer Kleinheit gefangenen Österreicher einprasseln.

Dabei liegt ein großer und entscheidender Grund für die Achterbahnfahrt der U21 bei ihrer ersten Euro ganz offen zutage. Jedoch ohne seriös angesprochen und behandelt zu werden.

Nach Spiel 2, der schlechten Leistung (samt verdienter Niederlage) gegen den finalen Gruppen-Zweiten Dänemark hatten die Spieler des finalen Gruppen-Dritten Österreich unisono von ihrer schlechten körperlichen Verfassung gesprochen: Schlapp wären sie gewesen, die erste Halbzeit lang gar nicht auf dem Platz.
Nun ist eine für die kompetitive Spielausübung nötige Physis aber der allererste Grundpfeiler jedes Sports, die primäre Aufgabe jedes Coaching-Teams. Alles andere ist nachrangig. Wer schlapp ist und körperlich nicht mithalten kann, dem nützt auch die beste Match-Idee und die schlaueste Taktik nichts.

Immer wieder, vor allem bei wichtigen Turnieren, fragen sich die Österreicher, warum sich denn zuallermeist die üblichen Verdächtigen durchsetzen, also jene Nationen, die sich die Titel seit Jahrzehnten untereinander ausmachen. Die Antworten darauf lauten: Liga-Betrieb mit deutlich höherem Level als hierzulande; langfristige Nachwuchsarbeit des Verbandes; höherer Mitteleinsatz. Und: Turniererfahrung.

Was aber ist das, Turniererfahrung? Das Wissen darum, wie ein Team, das einige Wochen lang unter hoher Anspannung und hohem Druck abliefern muss, optimal funktioniert, und Voraussetzungen zu schaffen, die das befördern.

Dabei geht es, vor allem für Neulinge wie Österreich, offenbar um die allersimpelsten Basics. Etwa die Tatsache, dass bei Turnieren alle drei bis vier Tage ein Spiel stattfindet, und die Mannschaft da immer auf den Punkt fit sein muss; weil sonst nach drei Matches schon Schluss ist. Die Coaching-Truppe um Werner Gregoritsch hat das nicht gewusst: sie konnte nur für zwei von drei Spielen so etwas wie körperliche Wettbewerbsfähigkeit herstellen.

Und da konnte ihnen auch die gesteigerte Qualität der Spieler nicht helfen. Der Großteil der Mannschaft spielt zwar in Deutschland oder ist bei heimischen Bundesliga-Vereinen Stammspieler, aber das garantiert eben keine Automatisierung eines Drei-Tages-Rhythmus, wie ihn die Großen bei den üblichen Verdächtigen fast durchgehend aufweisen. Deutsche, Italiener, Spanier, Franzosen, Engländer trainieren bei ihren Vereinen nämlich (in der überwiegenden Mehrheit) so, dass sie einen höheren Wettbewerbsdruck auch aushalten.

Den Text gibt’s auch zum Anhören als Podcast.

Blumenaus Fußball-Journal 240619

Österreichs Bundesliga hat mit seiner letzten Reform die sogenannten englischen Wochen abgeschafft, lebt also in einem 7-Tage-Rhythmus. Bis auf Salzburg, wo man sich zwar mit Rotation behalf, aber Spieler wie Schlager oder Wolf durchaus auch alle drei Tage können. Die anderen selbsternannten österreichischen Groß-vereine können das (Stichwort: Doppelbelastung) eben nicht.

Nun sind die jungen Österreicher, die in der deutschen Liga spielen, fast durchwegs auch keine Alle-drei-Tage-Stammspieler, sondern allesamt Teil der Rotations-Systeme. Und leider eben (noch) nicht fit für den Turnier-Rhythmus, bei dem man mitmuss. Wenn man am Ende mit dabei sein will.

Eine andere, sehr österreichische Eigenschaft ist es, angesichts einer Einsicht wie dieser (und zumindest für die U21 ist dieses Manko nicht so leicht zu beheben) zu resignieren und sich als schmollendes Opfer ungenügender Ressourcen in den entsprechenden Winkel zurückzuziehen. Nun haben aber just bei der noch laufenden Euro zumindest andere „kleine“ Mannschaften aufgezeigt, wie man wirklich mithalten kann. Dänemark etwa, deren Niederlage gegen Deutschland erklärbar ist. Polen, trotz des schlimmen dritten Spiels gegen Spanien. Und wahrscheinlich, wenn sie heute gegen Frankreich nicht einbrechen, die beeindruckenden Rumänen. Alle drei Mannschaften konnten zumindest zwei Spiele hintereinander auf hohem Niveau standhalten - anders als die Hochschaubahn fahrenden Österreicher - und kochen trotzdem auch nur mit Wasser. Sich das genauer anzuschauen, wäre eine Option. Und sicher die bessere, als sich mit fatalistischen Nicht-Erklärungsversuchen wieder einmal dem Reality Check zu verweigern.

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